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I. Neuere Geschichte - Die "Kantorei an der Apostelkirche"

Wolfgang Klare
(1914-1982) |
Die Geschichte der Kantorei im heutigen
Sinne begann 1946, als mit Wolfgang Klare erstmals ein hauptamtlicher
Kantor an der Apostelkirche angestellt wurde, der die Kantorei gründete. Nach dessen Pensionierung folgten 1979 Wolfgang Mielke und seit 1987
Klaus Vetter.
So wie nach dem 1. Weltkrieg Karl Seubel
kirchenmusikalisches Leben in Münster mühsam aufbauen musste,
so erging es auch Wolfgang Klare: als er 1946 in die
zerstörte Stadt Münster kam schien kirchenmusikalisches Leben
überhaupt nicht möglich zu sein. Bild der zerstörten Apostelkirche
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hatte an der Leipzige
Musikhochschule u.a. bei so berühmten Lehrern wie Johann Nepomuk David
und Karl Straube studiert. Aus dem Krieg kam er mit einer schweren
Armverletzung wieder, die ihn besonders im Orgelspiel behinderte.
Klares Schwägerin Lore Keller berichtet später, dass die Proben im ehemaligen Konsistorium am Domplatz stattfanden.
Es musste jedesmal dafür gesorgt werden, dass jemand eine
Glühbirne mitbrachte. Die wurde hinterher wieder ausgeschraubt und
mitgenommen, denn zu kaufen gab es keine.
Abgesehen
vom Musikverein gehört die Kantorei zu den ältesten
Kulturträgern unter Münsters Chören. Bereits ab 1954 führte die Kantorei jährlich, als
einziger Chor Münsters das Weihnachtsoratorium von Bach auf - eine enorme
Leistung für die Nachkriegszeit - die über 25 Jahre konkurrenzlos blieb. Den
Menschen bedeutete das damals noch mehr als heute, weil es ein so vielfältiges
kulturelles Leben wie heute noch nicht gab. Ein Jahr nach der Kantorei wurde 1947 der Studentische
Madrigalchor gegründet, 1968 der Philharmonische Chor, und erst viel später weitere Chöre. Da es noch keine weiteren in Münster gab, hieß sie auf Plakaten schlicht
"Die Kantorei".

Wolfgang Mielke
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Durch Zuwanderung zahlreicher Flüchtlinge
kamen nach dem Krieg auch viele Evangelische ins Münsterland. Nach
und nach entstanden die Gemeinden unseres Kirchenkreises und bildeten eigene
Gemeindechöre. Besonders nachdem Wolfgang Mielke 1979 die Kantorei übernommen hatte, kamen aus diesen Gemeindechören viele
SängerInnen zusätzlich in die Kantorei, um auch grössere Werke
mit Solisten und Orchester mitsingen zu können. Seitdem heisst sie "Kantorei
an
der Apostelkirche", denn nur ca. 10% der SängerInnen stammen
aus der Apostel-kirchengemeinde selbst, 90% kommen aus dem Kirchenkreis. Damit leistet die Kantorei unter Leitung des
Kreiskantors einen steten Beitrag zur
Fortbildung der SängerInnnen des Kirchenkreises, die sich auf
die Gemeindechöre weiter auswirkt und sie stärkt. |
An hohen Feiertagen und Konfirmationen
entsteht natürlich ein Engpass, da die Sänger in ihren Gemeindechören gebraucht werden. Daher werden die
traditionellen Kantatengottesdienste zu Weihnachten und Ostern jeweils am 2. Feiertag
angeboten
Unter Wolfgang Mielke wurde erstmals auch Mendelssohns "Elias" und Brahms "Requiem" aufgeführt. Bei den Proben zum Elias mußte Mielke noch richtig
Überzeugungsarbeit leisten, denn Mendelssohn war damals
längst nicht so beliebt wie heute.
Für die großen Orchesterbesetzungen reichte der Etat (den es damals noch gab!) natürlich nicht aus, und so wurde 1982 auf Initiative
Mielkes der "Förderkreis für Kirchenmusik" gegründet. Inzwischen könnten wir ohne die Hilfe des Förderkreises und zahlreicher anderer Spender überhaupt keine Oratorien mehr aufführen.
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1987 übernahm Klaus Vetter die Leitung der Kantorei.
Bis zu dieser Zeit hatte die Kantorei die großen Passionen Bachs noch
nie gesungen - das war in Münster über viele Jahre
ausschließlich Sache des Musikvereins. Als GMD Lutz Herbig diese Tradition beendete, konnte die Kantorei daran anknüpfen und 1990 erstmals die Matthäus-Passion und 1993 die Johannes-Passion aufführen.
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1993
beging die Stadt das Jubiläum "1200 Jahre Münster".
Die
Geschichte der Stadt ist eng mit der der Kirche und somit auch der
Kirchenmusik verbunden. So würdigte die Stadt Münster
die Bedeutung der Kirchenmusik mit der von ihr initiierten Reihe "musica sacra". In 5 Konzerten erklang "exemplarisch künstlerisch bedeutsame Kirchenmusik" unterschiedlicher Konfessionen. Für die Evangelische Kirche führte die Kantorei das Oratorium "Der Elias“ von Mendelssohn auf.
1996 wurde
die Kantorei 50 Jahre alt. 120 Aktive,
Ehemalige und Gäste trafen sich am Pfingst- wochenende zu einem
3-tägigen Fest. Die Kantorei wurde im Friedenssaal des Rathauses von
Bürgermeisterin Kastner empfangen, gedachte ihres Gründers und langjährigen
Leiters Kantor Wolfgang Klare mit einem Choral an seinem Grab und sang abschließend am
Pfingstsonntag im Festgottesdienst Bachs Kantate 172 "Erschallet, ihr Lieder".
Das eigentliche Jubiläumskonzert fand dann im November statt. Auf dem Programm
standen das "Te deum" von Arvo Pärt, Strawinskys "Psalmensinfonie" und das
"Magnificat" von Bach.
Als Dokumentation mit Erinnerungswert über das
Jubiläumsjahr hinaus gab die Kantorei eine zweiteilige Festschrift
heraus. Sie enthält im ersten Teil bislang
unveröffentlichte musikwissen- schaftliche Beiträge zur
Geschichte der Kirchenmusik an der Apostelkirche bis zur Gründung
der Kantorei. Die Beiträge des zweiten Teils wurden von
Mitgliedern der Kantorei verfasst und dokumentieren 50
Jahre Chorgeschichte bis zum Jubiläum der Kantorei. Die Festschrift ist
auch heute noch lesenswert und informativ.
Immer wieder war der Name des Kantors Klaus Vetter Grund für Verwechslungen oder Nachfragen. So wurde sein 10-jähriges Ortsjubliäum 1997 als Vetter-Fest
begangen, bei dem die Kantoren Johannes Vetter (Bielefeld) und
Joachim Vetter (Rostock) mitwirkten. Prof. Klaus Vetter aus Hamburg hatte an der Vorbereitung mitgewirkt, musste
aber leider kurzfristig absagen.
Auf dem Programm standen fast ausschließlich Vetter-Kompositionen:
Johannes und Joachim Vetter hatten eigene Kompositionen mitgebracht. Hinzu kamen Werke von Georg
Vetter (1536-1599), Daniel Vetter (1666-1734), Andreas Nicolaus Vetter (1666-1734) und
seines Lehrers Johann Pachelbel. Anschließend wurde mit Heidelberger Vetter-Bier auf den gerade verliehenen Titel
"Kirchenmusikdirektor" angestoßen.
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Zum Jubiläum "350 Jahre Westfälischer Frieden" 1998 bat die Stadt Münster alle Institutionen und Vereine
um Beiträge. Da die Apostelkirche einer der drei erhaltenen
Originalschauplätze aus dieser Zeit in der Stadt ist, organisierte
die Gemeinde zusammen mit dem Stadtmuseum eine Ausstellung
zur Geschichte der ehemaligen Klosterkirche und zu Fabio Chigi.
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Mit einem speziell auf das Friedens-Thema abgestimmten Programm gab die Kantorei das wohl aufwändigste Konzert ihrer Geschichte: Haydn "Missa in tempore belli", Frank
Martin "In terra pax" und eine Komposition des Zeitgenossen Thilo Medek
"Der Friede
wird immer gefährlicher" nach einem Text von Friedrich
Dürrenmatt. Die Werke von Martin und Medek waren Erstaufführungen in Münster. Die Schirmherrschaft hatte
Oberbürgermeisterin Marion Tüns.
Am Ende des Jahres 1998 gestaltete
die Kantorei einen Fernsehgottesdienst zur Eröffnung der
EKD-Synode
in
Münster mit Teilen aus diesem Konzertprogramm. Auch eine Vesper
- nach einer von Fabio Chigi im letzten Kriegsjahr 1648 für den
Gottesdienst in der Apostelkirche geschaffenen Ordnung - wurde
rekonstruiert und aufgeführt.
Die Leistungsfähigkeit und das Repertoire der Kantorei wurden stetig weiter entwickelt und konnte 2006 zum 60. Jubiläum mit einer ganzen Reihe von Bach-Konzerten eindrucksvoll unter Beweis gestellt werden: der Matthäus-Passion und des Magnificat, mit Kantate 137 "Lobe den Herren".
Hinzu kamen noch zwei Erstaufführungen: im Ostergottesdienst erklangen erstmalig Händels 4 Coronation-Anthems mit
einem neuen, speziell auf das Ostergeschehen bezogenen Text. Diesen
hatte Dagmar Jacoby - Mitglied der Apostelkirchengemeinde - zu diesem
Anlass in deutscher Sprache
verfasst. Das gesamte Aufführungsmaterial schrieb Suse Barenhoff.
Höhepunkt und - auch erstmalig in Münster - war ein
Wochenende mit 3 unterschiedlichen Aufführungen des Weihnachtsoratoriums:
einem Moderationskonzert am Freitag, allen 6 Kantaten am Samstag
und den Kantaten 1-3 "zum Zuhören und Mitsingen" am Sonntag. Nicht fehlen durfte ein Wochenende mit Ehemaligen, Aktiven und
Gästen, bei dem gefeiert und geprobt wurde. Den Abschluss bildete die Aufführung der Kantate "Erschallet, ihr Lieder" am Pfingstsonntag.
2007 entstand der Altersoffene Chor Münster - AChoM.
Den 325. Geburtstag Bachs würdigte die Kantorei 2010 mit einer Reihe von 9 Veranstaltungen:
4 Kantatengottesdienste mit Bach-Kantaten, die Aufführung der
"MISSA" an Bachs Geburtstag, dem 21. März, ein Konzert mit dem
Dresdner Kreuzchor und ein Bach-Abend mit der Schauspielerin Nina
Petri.
Höhepunkt war die Aufführung der h-Moll-Messe.
Bereits am 1.Tag des Vorverkaufes - 3 Wochen vor dem Konzert - waren
alle Karten verkauft. Daher fand die Generalprobe öffentlich statt - vor
gut 300
Hörern, die keine Konzertkarten bekommen hatten. Klaus
Vetter lockerte die Probe gelegentlich durch Informationen zur
Aufführung und dem Werk auf. Erstmals wurde
die Aufführung optisch auf eine große Leinwand im
linken Seitenschiff übertragen.
Die
letzten Konzerte ab 2016 waren das Résumé von 32 Jahren enger
musikalisch-menschlicher Zusammenarbeit zwischen der Kantorei und
ihrem Kantor. 3 Jahre vor seinem Ruhestand begann Kantor Klaus
Vetter mit "seiner" Kantorei noch einmal die
großen Werke zur Aufführung zu bringen, die ihnen in dieser
langen Zeit besonders ans Herz gewachsen waren: Brahms-Requiem,
Bach h-Moll-Messe (zum Luther-Jubiläum 2017), Johannes-Passion, Weihnachtsoratorium, und Mendels sohns Elias. Den Abschluss bildete Bachs Matthäus-Passion.
Berichte von den Aufführungen sind im Kantorei-Archiv zu finden.
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II. Ältere Geschichte - Interessantes aus der Apostelkirche
In der 700 Jahre alten Apostelkirche (Baugeschichte) wurde schon immer gesungen. Zunächst von den
Franziskaner-Minoriten,
die die Kirche errichtet hatten, in den
Gottesdiensten und Stundengebeten. Mit Ihrer Umwandlung in die
erste
evangelische Kirche Münsters begann 1804 auch die Geschichte der
Evangelischen
Kirchenmusik mit Kantatengottesdiensten, konzertanter Orgelmusik und
z.T. großen Chor-Aufführungen. Diese wurden entweder durch
den Musikverein oder kurzfristig gebildete "Projektchöre"
ausgeführt.
1633, mitten im Dreissigjährigen
Krieg stiftete Anna Dorhoff 1600 Reichstaler. Fest angelegt sollte - nur von den Zinsen - regelmässig Kirchenmusik
von hoher Qualität in der Apostelkirche finanziert werden, wozu neben
der Instrumental- auch die Chormusik zählte. (Die Stifterin war Witwe des Lambert Raesfeld, des Gründers
der Buchhandlung und Druckerei Regensberg, die bis vor wenigen Jahren am
Drubbel gegenüber der Lambertikirche ansässig war.)

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1644-49 lebte der päpstliche Gesandte Fabio Chigi als Friedensvermittler mit seinem Gefolge im Kloster neben der Kirche. Täglich nahmen er und Gesandte aus ganz Europa am Gottesdienst in der Apostelkirche teil.
Berühmt geworden ist die Predigt des Französischen Gesandten
François Ogier am Karfreitag, dem 30. März 1646, die er vor fast
allen katholischen Gesandten hielt. Er redete ihnen streng ins Gewissen und forderte die Anwendung der Prinzipien des Evangeliums auf das politische Handeln.
Neben dem Friedenssaal im Rathaus und dem Krameramtshaus ist die Apostelkirche der einzige noch erhaltene Originalschauplatz des Westfälischen Friedensschlusses.
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1804 erfolgte
die Umwandlung zur "ersten protestantischen Kirche Münsters".
Damit begann auch die Geschichte der Evangelischen Kirchenmusik in Münster, die sich - damals noch mehr als heute - von der allgemein praktizierten Katholischen Kirchenmusik unterschied.
Für Luther und die
Reformatoren
war die Musik kein Beiwerk, sondern neben der Predigt ein
weiteres, unverzichtbares Mittel der Verkündigung: "Gott predigt
das Evangelium
auch durch die Musik" (Tischgespräche).
Luther hatte die Deutsche Sprache in den Gottesdienst eingeführt, damit die Gemeinde dem Gottesdienst inhaltlich folgen konnte.
Auch mit Gesängen - bis dahin nur vom Klerus ausgeführt
- beteiligte Luther nun die Gemeinde aktiv an der
Verkündigung und führte die Gemeindelieder ein. Kantoreien wurden gebildet, und auch das Orgelspiel als Teil der
Verkündigung gesehen. Evangelienmotetten und besonders die Kantaten Bachs
entwickelten sich zu musikalischen Predigten, die das
Bibelwort schon durch die Musik verständlich machten.
Vor diesem Hintergrund hatten die Vertreter der neu gegründeten
Evangelischen Gemeinde in Münster, darunter höhere Beamte
und Offiziere, natürlich von Anfang an größtes Interesse an künstlerisch hochwertiger
Kirchenmusik.
Das zeigte sich sogleich bei der Besetzung der Organistenstelle. Von Seiten der
Regierung war zunächst nur ein Schullehrer vorgesehen,
der "neben" seiner Schultätigkeit auch sonntags die Orgel spielen
sollte, wie es damals üblich war. Doch die Gemeinde verpflichtete
mit Johann Nicolaus Wolff (1760-1847) einen vielseitigen Profi-Musiker. Wolff war nicht nur ausgebildeter Organist, sondern spielte auch Violine und Fagott, trat als Pianist
auf und komponierte.
1816 wurde Pfarrer Bernhard Ludwig Natorp
(1772-1846) von der staatlichen Regierung nach Münster versetzt
und bekleidete eine Doppelfunktion: als Schulrat war er verantwortlich
für das Schulwesen, als Konsistorialrat für
kirchliche Angelegenheiten. Außerdem wirkte er als Prediger in
der Evangelischen Gemeinde.
Ihm lag wesentlich an der Organisation und
Verbesserung der Kirchenmusik. Er
hatte selbst Orgel spielen gelernt, kannte Carl Zelter, und gewann
später für die Gesangburchreform Christian Heinrich Rinck,
einen geschätzen Enkelschüler Bachs für die Herausgabe
eines Choralbuches. Dieses wurde über das Lehrerseminar
in Soest ein Standardwerk für alle westfälischen Organisten
im 19. Jahrhundert und versorgte sie mit zeitgemäßen,
spielbaren Choralvorspielen.
Interessant
aus heutiger Sicht ist, dass Natorp in der Münsterschen
Regierung nicht nur die Aufsicht über die Evangelische
Kirchenmusik übernahm, sondern auch verantwortlicher Beamter
für die Katholische Kirchenmusik war. So mussten alle
Verwaltungssachen der Münsterschen Domkapelle von ihm
befürwortet und genehmigt werden. Er entschied die Anstellung und
Besoldung der Musiker und verfaßte u.a. eine wichtige
Petition, als die Existenz der Kapelle aus finanziellen Gründen
stark gefährdet war. Der o.g. protestantische Johann Nicolaus Wolff war gleichzeitig Organist der Apostelkirche und Mitglied der Domkapelle in der 2. Violine. Auch Dommusikdirektor Georg Schmidt war Protestant und gleichzeitig Gemeindemitglied der Apostelkirche.
1818 begann eine umfassende Renovierung der Kirche (Informationen).
1822 wird unter Beaufsichtigung von Wolff eine neue Orgel von der holländischen Firma Adolf Hillebrand eingebaut, mit
35 Registern auf 2 Manualen und Pedal ein für westfälische
Verhältnisse großes und attraktives Instrument. Die
alte Orgel wird nach gründlicher Überholung in der St.
Lamberti-Kirche aufgestellt.
Von der Mitwirkung eines Chores beim Einweihungs-Gottesdienst nach der Kirchenrenovierung berichtet der Jurist Hermann Sprickmann in einem Brief. Der
Chor habe überwiegend "aus Mitgliedern
des Musicalischen Vereins" (später Musikverein) bestanden, in
dem inzwischen auch viele Protestanten
mitsangen.
1827 führte zwei berühmte Musiker durch Taufgottesdienste in die Apostelkirche.
Der Opernkomponist Albert Lortzing war zu der Zeit 25 Jahre alt und lebte einige Jahre als Schauspieler und Sänger in Münster. Zwei seiner Töchter wurden hier getauft.
Ungefähr in dieser Zeit kam der Kasseler Hofkapellmeister Louis Spohr zu einer Taufe in die Apostelkirche. Er war Pate eines der Kinder des o.g. Dommusikdirektors Georg Schmidt.
Schmidt stammte aus der lippischen
reformierten Kirche und wurde 1822 der erste besoldete Musikdirektor des Musikvereins. Er war Schüler von Spohr. Mit dem Musikverein führte er später das Oratorium "Die letzten Dinge" seines Lehrers Spohr auf.
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Älteste Bach-Tradition in Münster
Ab 1857 wirkte Friedrich Smend, ein sehr musikliebender
Pfarrer an der Apostelkirche. Der Name Smend lässt jeden Bach-Kenner auf- horchen, weil später sein Sohn Julius Smend, und wiederum auch dessen Sohn Friedrich Smend als Bach-Wissenschaftler interna-tional bekannt wurden.
Für
Münster ist er bedeutsam, weil er erstmalig in seinen
Gottes-diensten Kantaten von Bach aufführen ließ. Das war neu
im katho-lischen Münster und somit der Beginn der ältesten Bach-Tradition unserer Stadt, die bis heute von der Kantorei fortgeführt wird. Seine Bach-Liebe hat auch den späteren Lebensweg seines Sohnes Julius mit geprägt.
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Der berichtet nämlich, sein Vater sei
mit dem städtischen Musikdirektor Julius Otto Grimm, der den Chor
und das Orchester des Musikvereins leitete "im Bunde". An besonderen Festtagen des Kirchenjahres führten sie gemeinsam Bach-Kantaten im Gottesdienst auf.
Diese ersten musikalischen Erfahrungen bereits im Kindesalter haben sich Julius Smend eingeprägt, auch der
Wechselgesang, bei dem sein Vater passende Strophen auf Gemeinde und Chor, oder auf Männer- und
Frauenstimmen verteilte, um den Gemeindegesang zu fördern.
Der oben erwähnte Musikdirektor Grimm
war etwa gleichzeitig mit Friedrich Smend nach Münster gekommen.
Er war Protestant baltisch-niedersächsischer Herkunft und hatte
u.a. am Konservatorium in Leipzig bei Thomaskantor Moritz Hauptmann, einem Nachfolger Bachs an der Thomaskirche
studiert.
In Leipzig lernte
er auch Johannes Brahms kennen, der zeitweise bei ihm wohnte. Diese Freundschaft hielt über 40 Jahre. Immer wenn Brahms es auf
Konzertreisen einrichten konnte, führte ihn der Weg über
Münster. Häufig gab
Brahms bei diesen Gelegenheiten auch Konzerte. Nach einem dieser
Konzerte überreichte er dem Apostelorganisten Heinrich Lienenklaus sogar
einen Taktstock aus Elfenbein.
Grimm war 1851 Gründungsmitglied
der Leipziger Bach-Gesellschaft.
Julius Smend,
der Sohn des Apostelpfarrers Friedrich Smend, wurde Theologe und zugleich einer der bedeutendsten Förderer und
Erneuerer der Evangelischen Kirchenmusik um die Wende vom 19. zum 20.
Jahrhundert. Nach verschiedenen beruflichen Stationen wurde er 1914
Mitbegründer und erster Dekan der Evangelisch-Theologischen
Fakultät seiner Heimatstadt Münster.
Julius Smend prägte durch
Aufsätze und
Vorträge das Bach-Verständnis seiner Generation. Mehrfach
gestaltete er Gottesdienste zu Bach-Festen der Deutschen
Bachgesellschaft. Er arbeitete im Vorstand der Bachgesellschaft mit und
war seit 1926 deren Vorsitzender. Max Regers 1901 erschienene
Choralphantasie op. 52,1 für Orgel "Alle Menschen müssen
sterben" ist "Sr. Hochwürden Herrn Professor Dr. Julius Smend
hochachtungsvollst zugeeignet.
Die Feier zum Gedenken an seinen Tod fand am 7.6.1931 in "seiner"
Apostelkirche statt. Die Ansprache hielt sein Nachfolger an der
Theologischen Fakultät Wilhelm Stählin. Der Bach-Chor sang unter Leitung von Karl Seubel Werke von Rosenmüller, Schütz und Bach.
Auch die nächste, d.h. die 3. Generation der Famile Smend setzt die "Bach-Linie" weiter fort: Julius Smends Sohn Friedrich Smend
(der Enkel also) wurde zu einem der kenntnis- und
einflußreichsten Erforscher des Lebenswerkes von J. S. Bach im
20. Jahrhundert. Besonders bekannt wurden seine Erläuterungen zu
den kirchlichen Kantaten Bachs. Für die "Neue Bachgesellschaft"
veröffentlichte er 1954 die Partitur der h-Moll-Messe.
1928 spielte Albert Schweitzer (Mitte) auf Einladung Seubels einen
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1921 gründete Julius Smend zusammen mit Karl Seubel den "Bach- Verein".
Konzertabende, an
denen ausschließlich Werke von Bach aufgeführt wurden, waren
damals ungewöhnlich und ein Wagnis. Wohl gerade deswegen veranstaltete Seu- bel eine Konzertreihe mit dem Motto "Bach dem Volke", in der er mit diesem Chor die grossen Oratorien und Kanta- ten
Bachs in Münster bekannt machte. (Programm von 1921)
Bachabend in der Apostelkir- che.
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Karl Seubel |
Bislang gab es zwar immer noch keinen festen Chor an der Apostelkirche, aber immer
wieder „Projektchöre“, die die Gottesdienste festlich gestalteten, z.B. den aus Schülerinnen der Steinschule gebildeten
"Hochzeitschor“.
Dies berichtete eine seiner Schülerinnen, die spätere
Leiterin des Madrigalchores der Universität Münster, Herma
Kramm. Seubel wirkte 36 Jahre als Musiklehrer
an der Steinschule. weiter
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