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Kantorei an der Apostelkirche:
1) Kantorei an der Apostelkirche:
Die "Kantorei" ist kein Gemeindechor im üblichen Sinne, sondern ein kreiskirchlicher Chor, dessen Mitglieder aus den verschiedensten Gemeindechören Münsters und Umgebung kommen. Daher nennt sie sich "Kantorei an der Apostelkirche".
Sie wird vom Kreiskantor
geleitet, einem der beiden hauptamtlichen Kantoren im Evangelischen Kirchenkreis Münster.
Das Repertoire ist bestimmt durch die Geschichte der Apostelkirche als ältester evange- lischer Kirche Münsters und durch besondere Aufgaben, die sich durch ihre zentrale Bedeutung  ergeben: ihre  Lage in der Altstadt, 200m vom Dom und der Lambertikirche entfernt  und als Ort der Identifikation für die Evangelischen Christen, die mit 22% zwar selbstbewusst, aber eben doch eine Minderheit in Münster sind.  Entsprechende Chorerfahrung wird also erwartet.
Die Evangelische Kirchenmusik in Gottesdiensten und Konzerten hat hier ihren Ort und strahlt von hier aus. Besonders Bach, aber auch Schütz, Brahms, Mendelssohn, Pepping u.a. gehören zu ihrem Repertoire. Viele ChorsängerInnen kommen eigens in die Kantorei, um Bach zu singen, interessanterweise auch katholische SängerInnen, die natürlich ebenso herzlich willkommen sind.
Die Kantorei tritt einerseits mit a-capella-Konzerten und Oratorien an die Öffentlichkeit, andererseits nimmt sie liturgische Aufgaben in Gottesdiensten der Gemeinde, des Kirchen- kreises und der Ökumene wahr. Kantatengottesdienste am 2. Weihnachtstag und 2. Ostertag haben besondere Bedeutung und lange Tradition.

Neuaufnahmen
Wir freuen uns über neue Mitglieder.
Sie sollten genügend Chorerfahrung haben und nicht älter als 50 Jahre alt sein.
Insbesondere hohe Soprane und Tenöre werden - wie wohl überall - gesucht.
Unser Archiv dokumentiert, was wir in der letzten Zeit - außer in (Kantaten-)Gottesdiensten - gesungen haben.

Ein Einstieg für neue Mitglieder ist wieder möglich,
- für die Arbeit mit dem neuen Kantor ab Di. 30. April.
    Männerstimmen werden nach wie vor besonders gesucht.

Chorproben:
Dienstags 19.45 - 22.00 Uhr im Dietrich- Bonhoeffer-Haus, 
An der Apostelkirche 5, 48143 Münster - gegenüber der Tibus-Residenz

Information:

Erdmuthe Koppe-Daut, Tel. 29 48 05;
Iris Becker, Tel. 52 25 86     ir.  becker ä web. de                 
Bitte ohne Leerzeichen abschreiben.
Kantor Konrad Paul
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kantorei  durch 
kirchenmusik   

Kosten:
Es wird kein Mitgliedsbeitrag erhoben. 
Lediglich die Noten für die Konzerte werden von den Chormitgliedern bezahlt. 
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2) Figuralchor: 
Der Figuralchor besteht aus ca. 20 Mitgliedern der Kantorei. Gelegentlich gestaltet er  zusätzlich zur Kantorei Gottesdienste oder kleine Konzerte. 
Die Proben finden projektweise nach Verabredung donnerstags um 20 Uhr statt.


3) AChoM:
Der AChoM ist für diejenigen eine gute Alternative, die die Altersgrenze ihres Chores erreicht haben oder denen die Probenzeit am Vormittag zeitlich besser passt.
Weitere Informationen: Altersoffener Chor Münster

4) Kammerorchester:

       
Eine Mischung aus Profi- und Laien-Streichern gestalten mit Kantorei oder Figuralchor regelmäßig Kantatengottesdienste am 2. Weih- nachtsfeiertag und Oster-Montag, gelegentlich auch andere Projekte.    

Geübte Laien oder Profi-Streicher, die Spaß an Kirchenmusik, insbesondere Bach-Kantaten haben, sind herzlich willkommen. 
Die Proben finden projektweise nach Verabredung montags 18.00 -19.30 Uhr statt.
Das nächste Projekt ist wieder am  26.12.16, die  3 Proben  sind über Ende  November/ Dezember verteilt.

Weitere Informationen bei Kantor Paul: Adresse s.o.
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I. Neuere Geschichte - Die "Kantorei an der Apostelkirche"


   Wolfgang Klare
            (1914-1982)

Die Geschichte der Kantorei im heutigen Sinne begann 1946, als mit Wolfgang Klare erstmals ein
 hauptamtlicher Kantor an der Apostelkirche angestellt wurde, der die Kantorei gründete. Nach dessen Pensionierung folgten 1979 Wolfgang Mielke und seit 1987 Klaus Vetter.
So wie nach dem 1. Weltkrieg Karl Seubel kirchenmusikalisches Leben in Münster mühsam aufbauen musste,  so erging es auch Wolfgang Klare: als er 1946 in die zerstörte Stadt Münster kam schien kirchenmusikalisches Leben überhaupt nicht möglich zu sein. Bild der zerstörten Apostelkirche
hatte an der Leipzige Musikhochschule  u.a. bei so berühmten Lehrern wie Johann Nepomuk David und Karl Straube studiert. Aus dem Krieg kam er mit einer schweren Armverletzung wieder, die ihn besonders im Orgelspiel behinderte.
Klares Schwägerin Lore Keller berichtet später, dass die Proben  im ehemaligen Konsistorium am Domplatz stattfanden. Es musste jedesmal dafür gesorgt werden, dass jemand eine Glühbirne mitbrachte. Die wurde hinterher wieder ausgeschraubt und mitgenommen, denn zu kaufen gab es keine.

Abgesehen vom Musikverein gehört die Kantorei zu den ältesten Kulturträgern unter Münsters Chören. Bereits ab 1954 führte die Kantorei jährlich, als einziger Chor Münsters das Weihnachtsoratorium von Bach auf - eine enorme Leistung für die Nachkriegszeit - die über 25 Jahre konkurrenzlos blieb. Den Menschen bedeutete das damals noch mehr als heute, weil es ein so vielfältiges kulturelles Leben wie heute  noch nicht gab. Ein Jahr nach der Kantorei wurde 1947 der Studentische Madrigalchor gegründet, 1968 der Philharmonische Chor, und erst viel später weitere Chöre. Da es noch keine weiteren in Münster gab, hieß sie auf Plakaten schlicht "Die Kantorei".


Wolfgang Mielke
Durch Zuwanderung zahlreicher Flüchtlinge kamen nach dem Krieg auch viele Evangelische ins Münsterland. Nach und nach entstanden die Gemeinden unseres Kirchenkreises und bildeten eigene Gemeindechöre. Besonders nachdem Wolfgang Mielke 1979 die Kantorei übernommen hatte, kamen aus diesen Gemeindechören viele SängerInnen zusätzlich in die Kantorei, um auch grössere Werke mit Solisten und Orchester mitsingen zu können. Seitdem heisst sie "Kantorei an der Apostelkirche", denn nur ca. 10%  der SängerInnen stammen aus der Apostel-kirchengemeinde selbst, 90% kommen aus dem Kirchenkreis. Damit leistet die Kantorei unter Leitung des Kreiskantors einen steten Beitrag zur Fortbildung der SängerInnnen des Kirchenkreises, die sich auf die Gemeindechöre weiter auswirkt und sie stärkt.
An hohen Feiertagen und Konfirmationen entsteht natürlich ein Engpass, da die Sänger in ihren Gemeindechören gebraucht werden. Daher werden die traditionellen Kantatengottesdienste zu Weihnachten und Ostern jeweils am 2. Feiertag angeboten

Unter Wolfgang Mielke wurde erstmals auch Mendelssohns "Elias" und Brahms "Requiem" aufgeführt. Bei den Proben zum Elias mußte Mielke noch richtig Überzeugungsarbeit leisten, denn Mendelssohn war damals längst  nicht so beliebt wie heute.  
Für die großen Orchesterbesetzungen reichte der Etat (den es damals noch gab!)
natürlich nicht aus, und so wurde 1982 auf Initiative Mielkes  der "Förderkreis für Kirchenmusik" gegründet. Inzwischen könnten wir  ohne die Hilfe des Förderkreises und zahlreicher anderer Spender überhaupt keine Oratorien  mehr aufführen. 

1987 übernahm  Klaus Vetter die Leitung der  Kantorei.

Bis zu dieser Zeit hatte die Kantorei die großen Passionen Bachs noch nie gesungen - das war in Münster über viele Jahre ausschließlich Sache des Musikvereins. Als GMD Lutz Herbig diese Tradition beendete, konnte die Kantorei daran anknüpfen und 1990 erstmals die Matthäus-Passion und 1993 die Johannes-Passion aufführen.

1993 beging die Stadt das Jubiläum "1200 Jahre Münster". Die Geschichte der Stadt ist eng mit der der Kirche und somit auch der Kirchenmusik verbunden. So würdigte die Stadt Münster die Bedeutung der Kirchenmusik mit der von ihr initiierten Reihe "musica sacra".  In  5 Konzerten erklang "exemplarisch künstlerisch bedeutsame Kirchenmusik" unterschiedlicher Konfessionen. Für die Evangelische Kirche führte die Kantorei das Oratorium "Der Elias“ von  Mendelssohn auf. 

1996 wurde die Kantorei 50 Jahre alt. 120 Aktive, Ehemalige und Gäste trafen sich am Pfingst- wochenende zu einem 3-tägigen Fest. Die Kantorei wurde im Friedenssaal des Rathauses von Bürgermeisterin Kastner empfangen, gedachte ihres Gründers und langjährigen Leiters Kantor Wolfgang Klare mit einem Choral an seinem Grab und sang abschließend am Pfingstsonntag im Festgottesdienst Bachs Kantate 172 "Erschallet, ihr Lieder". Das eigentliche Jubiläumskonzert fand dann im November statt. Auf dem Programm standen das "Te deum" von Arvo Pärt, Strawinskys "Psalmensinfonie" und das "Magnificat" von Bach.
Als Dokumentation mit Erinnerungswert über das Jubiläumsjahr hinaus gab die Kantorei eine zweiteilige Festschrift heraus. Sie enthält im ersten Teil bislang unveröffentlichte musikwissen- schaftliche Beiträge zur Geschichte der Kirchenmusik an der Apostelkirche bis zur Gründung der Kantorei. Die Beiträge des zweiten Teils wurden von Mitgliedern der Kantorei verfasst und dokumentieren 50 Jahre Chorgeschichte bis zum Jubiläum der Kantorei. Die Festschrift  ist auch heute noch lesenswert und informativ.

Immer wieder war der Name des Kantors Klaus Vetter Grund für Verwechslungen oder Nachfragen. So wurde sein 10-jähriges Ortsjubliäum 1997 als Vetter-Fest begangen, bei dem die Kantoren Johannes Vetter (Bielefeld) und Joachim Vetter (Rostock) mitwirkten. Prof. Klaus Vetter aus Hamburg hatte an der Vorbereitung mitgewirkt, musste aber leider kurzfristig absagen.
Auf dem Programm standen fast ausschließlich Vetter-Kompositionen:
Johannes und Joachim Vetter
hatten eigene Kompositionen mitgebracht. Hinzu kamen Werke von Georg Vetter (1536-1599), Daniel Vetter (1666-1734), Andreas Nicolaus Vetter (1666-1734) und seines Lehrers Johann Pachelbel. Anschließend wurde mit Heidelberger Vetter-Bier auf den gerade verliehenen Titel "Kirchenmusikdirektor" angestoßen.


Zum Jubiläum "350 Jahre  Westfälischer Frieden"
1998 bat die Stadt Münster alle Institutionen und Vereine um Beiträge. Da die Apostelkirche einer der drei erhaltenen Originalschauplätze aus dieser Zeit in der Stadt ist, organisierte die Gemeinde zusammen mit dem Stadtmuseum eine Ausstellung zur Geschichte der ehemaligen Klosterkirche und  zu Fabio Chigi

Mit einem speziell auf das  Friedens-Thema abgestimmten Programm gab die Kantorei das wohl aufwändigste Konzert ihrer Geschichte: Haydn "Missa in tempore belli", Frank Martin "In terra pax" und eine Komposition des Zeitgenossen Thilo Medek "Der Friede wird immer gefährlicher" nach einem Text von Friedrich  Dürrenmatt. Die Werke von Martin und Medek waren Erstaufführungen in Münster. Die Schirmherrschaft hatte Oberbürgermeisterin Marion Tüns.
Am Ende des Jahres 1998 gestaltete die Kantorei einen Fernsehgottesdienst zur Eröffnung der EKD-Synode in Münster mit Teilen aus diesem Konzertprogramm. Auch eine Vesper - nach einer von Fabio Chigi im letzten Kriegsjahr 1648 für den Gottesdienst in der Apostelkirche geschaffenen Ordnung -  wurde rekonstruiert und aufgeführt.

Die Leistungsfähigkeit und das Repertoire der Kantorei wurden stetig weiter entwickelt und konnte 2006 zum 60. Jubiläum mit einer ganzen Reihe von Bach-Konzerten eindrucksvoll unter Beweis gestellt werden: der Matthäus-Passion und des Magnificat, mit  Kantate 137 "Lobe den Herren". 
Hinzu kamen
noch zwei Erstaufführungen: im Ostergottesdienst erklangen erstmalig Händels 4 Coronation-Anthems mit einem neuen, speziell auf das Ostergeschehen bezogenen Text. Diesen hatte Dagmar Jacoby - Mitglied der Apostelkirchengemeinde - zu diesem Anlass in deutscher Sprache verfasst. Das gesamte Aufführungsmaterial schrieb Suse Barenhoff.
Höhepunkt und - auch erstmalig in Münster - war ein Wochenende mit 3 unterschiedlichen Aufführungen des Weihnachtsoratoriums: einem Moderationskonzert am Freitag,  allen 6 Kantaten am Samstag und den Kantaten 1-3 "zum Zuhören und Mitsingen" am Sonntag. Nicht fehlen durfte ein Wochenende
mit Ehemaligen, Aktiven und Gästen, bei dem gefeiert und geprobt wurde. Den Abschluss bildete die Aufführung der Kantate "Erschallet, ihr Lieder"   am Pfingstsonntag.

2007 entstand der Altersoffene Chor Münster - AChoM.

Den 
325. Geburtstag Bachs würdigte die Kantorei 2010 mit einer Reihe von  9 Veranstaltungen:
4 Kantatengottesdienste mit Bach-Kantaten, die Aufführung der "MISSA" an  Bachs  Geburtstag, dem 21. März, ein Konzert mit dem Dresdner Kreuzchor und ein Bach-Abend mit der Schauspielerin Nina Petri. 
Höhepunkt war die Aufführung der h-Moll-Messe. Bereits am 1.Tag des Vorverkaufes - 3 Wochen vor dem Konzert - waren alle Karten verkauft. Daher fand die Generalprobe öffentlich statt - vor gut 300 Hörern, die keine Konzertkarten bekommen hatten. Klaus Vetter lockerte die Probe gelegentlich durch Informationen zur Aufführung und dem Werk auf. Erstmals wurde die Aufführung optisch auf eine große Leinwand im linken Seitenschiff übertragen.

Die letzten Konzerte ab 2016 waren das Résumé von 32 Jahren enger musikalisch-menschlicher Zusammenarbeit zwischen der Kantorei und ihrem Kantor. 3 Jahre vor seinem Ruhestand begann Kantor Klaus Vetter mit "seiner" Kantorei noch einmal die großen Werke zur Aufführung zu bringen, die ihnen in dieser langen Zeit besonders ans Herz gewachsen waren: Brahms-Requiem, Bach h-Moll-Messe (zum Luther-Jubiläum 2017), Johannes-Passion, Weihnachtsoratorium, und  Mendels sohns Elias. Den Abschluss bildete Bachs Matthäus-Passion.
Berichte von den Aufführungen sind im Kantorei-Archiv zu finden.

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II. Ältere Geschichte - Interessantes aus der Apostelkirche 
In der 700 Jahre alten Apostelkirche (Baugeschichte) wurde schon immer gesungen. Zunächst von den Franziskaner-Minoriten, die die Kirche errichtet hatten, in den Gottesdiensten und Stundengebeten.  Mit Ihrer Umwandlung in die erste evangelische Kirche Münsters begann 1804 auch die Geschichte der Evangelischen Kirchenmusik mit Kantatengottesdiensten, konzertanter Orgelmusik und z.T. großen Chor-Aufführungen. Diese wurden entweder durch den Musikverein oder kurzfristig gebildete "Projektchöre" ausgeführt.

1633,  mitten im Dreissigjährigen Krieg stiftete Anna Dorhoff 1600 Reichstaler. Fest angelegt sollte - nur von den Zinsen - regelmässig Kirchenmusik von hoher Qualität in der Apostelkirche finanziert  werden, wozu neben der Instrumental- auch die Chormusik zählte. (Die Stifterin war Witwe des Lambert Raesfeld, des Gründers der Buchhandlung und Druckerei Regensberg, die bis vor wenigen Jahren am Drubbel gegenüber der Lambertikirche ansässig war.)



     





  
1644-49 lebte der päpstliche Gesandte Fabio Chigi als Friedensvermittler mit seinem Gefolge im Kloster neben der Kirche. Täglich nahmen er und Gesandte aus ganz Europa am Gottesdienst in der Apostelkirche teil. 
Berühmt geworden ist die Predigt des Französischen Gesandten François Ogier am Karfreitag, dem 30. März 1646, die er vor fast allen katholischen Gesandten hielt. Er redete ihnen streng ins Gewissen und forderte die Anwendung der Prinzipien des Evangeliums auf das politische Handeln.

Neben dem Friedenssaal im Rathaus und dem Krameramtshaus ist die Apostelkirche der einzige noch erhaltene Originalschauplatz des Westfälischen Friedensschlusses.
1804 erfolgte die Umwandlung zur "ersten protestantischen Kirche Münsters".
Damit begann auch die Geschichte der Evangelischen Kirchenmusik in Münster, die sich - damals noch mehr als heute - von der allgemein praktizierten Katholischen Kirchenmusik unterschied.

Für Luther und die Reformatoren war die Musik kein Beiwerk, sondern neben der Predigt ein weiteres, unverzichtbares Mittel der Verkündigung: "Gott predigt das Evangelium auch durch die Musik" (Tischgespräche).
Luther hatte die
Deutsche Sprache in den Gottesdienst eingeführt, damit die Gemeinde dem Gottesdienst inhaltlich folgen konnte. Auch mit  Gesängen - bis dahin nur vom Klerus ausgeführt - beteiligte Luther nun die Gemeinde aktiv an der Verkündigung und führte die Gemeindelieder ein. Kantoreien wurden gebildet, und auch das Orgelspiel als Teil der Verkündigung gesehen. Evangelienmotetten und besonders die Kantaten Bachs entwickelten sich zu musikalischen Predigten, die das Bibelwort schon durch die Musik verständlich machten. 

Vor diesem Hintergrund hatten die Vertreter der neu gegründeten Evangelischen Gemeinde in Münster, darunter höhere Beamte und Offiziere, natürlich
von Anfang an größtes Interesse an künstlerisch hochwertiger Kirchenmusik.
Das zeigte sich sogleich bei der Besetzung der Organistenstelle. Von Seiten der Regierung war zunächst nur
ein Schullehrer vorgesehen, der "neben" seiner Schultätigkeit auch sonntags die Orgel spielen sollte, wie es damals üblich war. Doch die Gemeinde verpflichtete mit Johann Nicolaus Wolff (1760-1847) einen vielseitigen Profi-Musiker. Wolff war nicht nur ausgebildeter Organist, sondern spielte auch Violine und Fagott, trat als Pianist auf und komponierte.

1816 wurde Pfarrer Bernhard Ludwig Natorp (1772-1846) von der staatlichen Regierung nach Münster versetzt und bekleidete eine Doppelfunktion: als Schulrat war er verantwortlich für das Schulwesen,  als Konsistorialrat für kirchliche Angelegenheiten. Außerdem wirkte er als Prediger in der Evangelischen Gemeinde.
Ihm lag wesentlich an der Organisation und Verbesserung der Kirchenmusik. Er hatte selbst Orgel spielen gelernt, kannte Carl Zelter, und gewann später für die Gesangburchreform Christian Heinrich Rinck, einen geschätzen Enkelschüler Bachs für die Herausgabe eines Choralbuches.  Dieses wurde über das Lehrerseminar in Soest ein Standardwerk für alle westfälischen Organisten im 19. Jahrhundert und versorgte sie mit zeitgemäßen, spielbaren  Choralvorspielen. 
Interessant aus heutiger Sicht  ist, dass Natorp in der Münsterschen Regierung nicht nur die Aufsicht über die Evangelische Kirchenmusik übernahm, sondern auch verantwortlicher Beamter für die Katholische Kirchenmusik war. So mussten alle Verwaltungssachen der Münsterschen Domkapelle von ihm befürwortet und genehmigt werden. Er entschied die Anstellung und Besoldung der Musiker und verfaßte u.a. eine wichtige Petition, als die Existenz der Kapelle aus finanziellen Gründen stark gefährdet war. Der o.g. protestantische Johann Nicolaus Wolff war gleichzeitig Organist der Apostelkirche und Mitglied der Domkapelle in der 2. Violine. Auch Dommusikdirektor Georg Schmidt war Protestant und gleichzeitig Gemeindemitglied der Apostelkirche.

1818 begann eine umfassende Renovierung der Kirche (Informationen).
1822 wird unter Beaufsichtigung von Wolff eine neue Orgel von der holländischen Firma Adolf Hillebrand eingebaut, mit 35 Registern auf 2 Manualen und Pedal ein für westfälische Verhältnisse großes und attraktives Instrument. Die alte Orgel wird nach gründlicher Überholung in der St. Lamberti-Kirche aufgestellt.
Von der Mitwirkung eines Chores beim Einweihungs-Gottesdienst nach der Kirchenrenovierung berichtet der Jurist Hermann Sprickmann in einem Brief.  Der Chor  habe überwiegend "aus Mitgliedern des Musicalischen Vereins" (später Musikverein) bestanden, in dem inzwischen auch viele Protestanten mitsangen.

1827  führte zwei berühmte Musiker durch Taufgottesdienste in die Apostelkirche.
Der
Opernkomponist Albert Lortzing war zu der Zeit 25 Jahre alt und lebte einige Jahre als Schauspieler und Sänger in Münster. Zwei seiner Töchter wurden hier getauft. 
Ungefähr in dieser Zeit kam der Kasseler Hofkapellmeister Louis Spohr zu einer Taufe in die Apostelkirche. Er war Pate eines der Kinder  des o.g. Dommusikdirektors  Georg Schmidt.
Schmidt
 stammte aus der lippischen reformierten Kirche und  wurde 1822 der erste besoldete Musikdirektor des Musikvereins. Er war Schüler von Spohr. Mit dem Musikverein führte er später das Oratorium "Die letzten Dinge" seines Lehrers Spohr auf.


Älteste Bach-Tradition in Münster

Ab 1857 wirkte Friedrich Smend, ein sehr musikliebender Pfarrer an der Apostelkirche. Der Name Smend lässt jeden Bach-Kenner auf- horchen, weil später sein Sohn Julius Smend, und wiederum auch dessen Sohn Friedrich Smend als Bach-Wissenschaftler interna-tional bekannt wurden.
Für Münster ist er bedeutsam, weil er erstmalig in seinen Gottes-diensten Kantaten von Bach aufführen ließ. Das war neu im katho-lischen Münster und somit der Beginn der ältesten Bach-Tradition unserer Stadt, die bis heute von der Kantorei fortgeführt wird. Seine Bach-Liebe hat auch den späteren Lebensweg seines Sohnes Julius mit geprägt.
Der berichtet nämlich, sein Vater sei mit dem städtischen Musikdirektor Julius Otto Grimm, der den Chor und das Orchester des Musikvereins leitete "im Bunde". An besonderen Festtagen des Kirchenjahres  führten sie gemeinsam Bach-Kantaten  im Gottesdienst auf.
Diese ersten musikalischen Erfahrungen bereits im Kindesalter haben sich Julius Smend  eingeprägt, auch der Wechselgesang, bei dem sein Vater passende Strophen auf Gemeinde und Chor, oder auf Männer- und Frauenstimmen verteilte, um den Gemeindegesang  zu fördern. 
Der oben erwähnte Musikdirektor Grimm war etwa gleichzeitig mit Friedrich Smend nach Münster gekommen. Er war Protestant baltisch-niedersächsischer Herkunft und hatte u.a. am Konservatorium in Leipzig bei Thomaskantor Moritz Hauptmann, einem Nachfolger Bachs an der Thomaskirche studiert.
In Leipzig  lernte er auch Johannes Brahms kennen, der zeitweise bei ihm wohnte.
Diese Freundschaft hielt über 40 Jahre. Immer wenn Brahms es auf Konzertreisen einrichten konnte, führte ihn der Weg über Münster. Häufig gab Brahms bei diesen Gelegenheiten auch Konzerte. Nach einem dieser Konzerte überreichte er dem Apostelorganisten Heinrich Lienenklaus sogar einen Taktstock aus Elfenbein.
Grimm war 1851 Gründungsmitglied der Leipziger Bach-Gesellschaft.


Julius Smend, der Sohn des Apostelpfarrers Friedrich Smend, wurde Theologe und zugleich einer der bedeutendsten Förderer und Erneuerer der Evangelischen Kirchenmusik um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Nach verschiedenen beruflichen Stationen wurde er 1914 Mitbegründer  und erster Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät seiner Heimatstadt Münster.
Julius Smend prägte durch Aufsätze und Vorträge das Bach-Verständnis seiner Generation. Mehrfach gestaltete er Gottesdienste zu Bach-Festen der Deutschen Bachgesellschaft. Er arbeitete im Vorstand der Bachgesellschaft mit und war seit 1926 deren Vorsitzender. Max Regers 1901 erschienene Choralphantasie op. 52,1 für Orgel "Alle Menschen müssen sterben" ist "Sr. Hochwürden Herrn Professor Dr. Julius Smend hochachtungsvollst zugeeignet.
Die Feier zum Gedenken an seinen Tod fand am 7.6.1931 in "seiner" Apostelkirche statt. Die Ansprache hielt sein Nachfolger an der Theologischen Fakultät Wilhelm Stählin. Der Bach-Chor sang unter Leitung von Karl Seubel Werke von Rosenmüller, Schütz und Bach.
Auch die nächste, d.h. die 3. Generation der Famile Smend setzt die "Bach-Linie" weiter fort: Julius Smends Sohn Friedrich Smend (der Enkel also) wurde zu einem der kenntnis- und einflußreichsten Erforscher des Lebenswerkes von J. S. Bach im 20. Jahrhundert. Besonders bekannt wurden seine Erläuterungen zu den kirchlichen Kantaten Bachs. Für die "Neue Bachgesellschaft" veröffentlichte er 1954 die Partitur der h-Moll-Messe.

1928 spielte Albert Schweitzer (Mitte) auf Einladung  Seubels einen 
1921 gründete Julius Smend zusammen mit Karl Seubel  den "Bach- Verein".

Konzertabende, an denen ausschließlich Werke von Bach aufgeführt wurden, waren damals ungewöhnlich und ein Wagnis. Wohl gerade deswegen 
veranstaltete Seu- bel eine Konzertreihe mit dem Motto "Bach dem Volke"in der er mit diesem Chor die grossen Oratorien und Kanta- ten Bachs in Münster bekannt machte.      (Programm von 1921)


Bachabend in der Apostelkir- che.



















             Karl Seubel         

Bislang
gab es zwar immer noch keinen festen Chor an der Apostelkirche, aber immer wieder „Projektchöre“, die die Got­tesdienste festlich gestalteten, z.B.  den aus Schülerinnen der Steinschule gebildeten "Hochzeitschor“. Dies berichtete eine seiner Schülerinnen, die spätere Leiterin des Madrigalchores der Universität Münster, Herma Kramm. Seubel wirkte 36 Jahre als Musiklehrer an der Steinschule.  weiter
MM
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Die oben zusammengefassten Daten entstammen einer Festschrift, die 1996 zum 50-jährigen Bestehen der "Kantorei an der Apostelkirche" herausgegeben wurde.

Sie liegt in der Schauvitrine  im Café des MGH aus und ist dort, oder beim Kantor, zum Preis von 5 € zu erhalten.

Inhaltsverzeichnis der Festschrift

KMD Klaus Vetter

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