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Konzert zum Ewigkeitssonntag 2013
Erläuterungen zum Programm
Hindemith Apparebit repentina dies  - Erscheinen wird  plötzlich der Tag  

Im Gegensatz zum beliebten Requiem von Fauré wird sich die Musik Hindemiths beim ersten Hören nicht sofort erschließen. Sie braucht etwas mehr Zeit und Offenheit für Neues.
Mit den folgenden  Erläuterungen, die in die Deutsche Übersetzung des Textes eingeflochten sind, könnte das gelingen, denn
Hindemith hat sich sehr mit dem Text auseinander gesetzt  und eine überzeugende Form- und Musiksprache dafür gefunden.      

Wie bei dem von ihm verehrten J.S. Bach, sind Text und Musik eng aufeinander bezogen, an manchen Stellen  sogar unmittelbar verständlich in Klang umgesetzt. Im 2. Satz  wird z.B.  die  "Stimme des Richters" durch die Basstimme des Chores dargestellt, ähnlich der "vox christi", der solistischen Basstimme Jesu  in den Kantaten und Passionen Bachs.  Auch die Darstellung des jüngsten Gerichtes durch Posaunen gehört dazu .  

Neu ist, dass  Dissonanzen hier als Klang-FARBEN wirken, und häufige Taktwechsel  für Bewegung und Abwechslung sorgen. Die Dynamische Bandbreite reicht von mächtigen Klangballungen bis hin zu hauchzarten a-capella Passagen des Chores ohne  Bläser.

Hindemith teilt den Text des mittelalterlichen Gedichtes in 4 Abschnitte:

    I. Anbruch des Gerichtstages 
       Die Kantate beginnt mit einer Posaunen-Fanfare, die Lebende und Tote zum Jüngsten Gericht ruft.
       Es folgt eine instrumentale Einleitung, die später wörtlich als Begleitung des Chores wiederholt wird.
        Erscheinen wird plötzlich der Tag, wie ein Dieb in dunkler Nacht überfallen die Arglosen
        erscheinen wird die Fülle der Zeit, noch ehe vergangen dies Geschlecht.

Die Posaunen-Fanfare wird wiederholt und leitet den folgenden Abschnitt ein:
       Das Schmettern der Posaunen erschallt von den vier Enden der Erde,
       ruft Lebende und Tote vor das Angesicht Christi..
       
Der Richter wird  vom Himmelsbogen in strahlender Majestät nahen,
       begleitet von hellen Chören der Engel.
Während der Chor folgende Passage singt, begleiten die Bläser mit der anfangs solistisch gespielten Einleitung: 
       Die Scheibe des Mondes wird erröten, die Sonne wird sich verfinstern,
     
 die Sterne werden verblassend stürzen, die ganze Erde wird sich erheben.
       Feuerflammen gehen dem Antlitz des gerechten Richters voraus,
       zerstören Himmel, Erde und die Tiefen des Meeres.
       Er, der erhabene König wird  auf dem Himmelsthrone
sitzen,
       umgeben von den zitternden Scharen der Engel.

   II. Die Urteilssprüche
          Die Auserwählten sammelt er zu seiner Rechten,
          die Schlechten werden zur Linken zittern wie stinkende Böcke.      

           
Der Chor-Bass stellt in recitativen Einschüben die "Stimme des Richters"  dar.
           Posaunen und Hörner begleiten und
symbolisieren seine Macht und Stärke:
                 "Geht" spricht der König zu denen der Rechten,
                 "und empfangt das himmliche Reich, vor aller Zeit vom Vater für Euch bereitet,
                 denn ich war arm und ihr habt mir als Bruder geholfen, empfanget euren Lohn!"
     

          Die
"Gerechten",  werden durch einen 3-stg. Frauenchor dargestellt. Die Instrumente schweigen.
                 Froh werden sie sagen:
                 "Wann, Christe, haben wir dich
arm gesehen,
                 wann, großer König, warst du bedürftig und wir haben uns deiner erbarmt?"
           
Chor-Bass:
                 Dann wird ihnen der große Richter
sagen:
                 "Als ihr
den Armen geholfen habt ,
                  als ihr ihnen Brot, Herberge und Kleidung gabt, habt ihr meiner Niedrigkeit
geholfen."
           
Abschluss mit einer kirchentonartlichen Kadenz.      

           Neuer Abschnitt, schneller. 
           Statt der weichen Hörner erklingen nun eindringlicher Trompeten und Tuba zu den Posaunen.
           Negative Worte (verdammt, höllisches Feuer, verachtet)  "kommentieren" sie entsprechend.
                  Dann wird der große Richter ohne Zögern zu denen zur Linken sprechen:
                 "Weichet von mir, ihr verdammten, in das höllische Feuer.
                 Als Bettler habe ich euch angefleht und ihr habt mich verachtet,
                 ich war nackt, ihr gabt mir kein Gewand, ich war schwach, es kümmerte euch nicht."    
 

           Nun stellt der Frauenchor die "Sünder" dar. Die Musik ist erregter.
           Chor und Hörner wechseln sich  fließend miteinander ab:

                  Und die Sünder werden sagen:
                 "Christe, wann haben wir dich, den Armen,
                  dich, großer König, den Kranken, verachtet?"
                  Ihnen erwidert der erhabene Richter:
                 "Ihr habt dem Bettler Hilfe versagt, damit habt ihr, Schändliche, mich verachtet."
 

  III. Der Höllensturz  und  Die Freuden des Himmels 
         Zunächst wird die Hölle eindringlich dargestellt. Es klingt, als ob Flammmen aus dem Abgrund    
         hinaufzüngeln und Ungeheuer 
versuchen,
einen hinab zu reißen.
              Die Ungerechten werden hinab in ewige Flammen stürzen
              wo ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht erlischt.
              Satan und seine Knechte sind in diesen finsteren Kerker verdammt,
              wo Heulen und Zähneklappern ist.      

         
Eine Überleitung der Bläser zum 2.Teil, der die Freuden des Himmels besingt, beruhigt wieder
         und mündet schließlich in eine 
feierliche Passacaglia*, die die Herrlichkeit der "ewigen Stadt Jerusalem"
         versinnbildlicht. Sowohl
ihr 11-töniges cantables Thema, als auch der ergänzende Kontrapunkt in
         doppeltem Rhythmus haben  mittelalterlichen, gregorianischen Charakter.

                   Die Gerechten aber werden aufgenommen in das himmlische Vaterland
                   und erlangen mit den Chören der Engel die Freuden des Himmels.
         Ruhig, teilweise a capella
                   Sie werden eingehen in die ewige Stadt Jerusalem,
                   in der die wahre Schau des Lichtes und des Friedens glänzt.
         
Schneller
                   Dort schauen die erhabenen Scharen der Seligen Xristus, den König,
                   in der Herrlichkeit des Vaters.
         
Die mittelaterliche Schreibweise, die das griechische X (Chi) verwendet, wurde von Hindemith beibehalten.
         
* Passacaglia ist eine Kompositionsform, bei der ein Thema ständig wiederholt wird (meist im Bass),
            während sich darüber Variationen entfalten. Die bekannteste Passacaglia ist wohl die für Orgel in c-Moll
            von Bach.     

IV. Mahnung zu Frömmigkeit, Armut und Keuschheit
           
Dem Inhalt des letzten Teiles entsprechend, gestaltet Hindemith den Schluss auffallend schlicht,
            wie einen Choral.
Die 2 Strophen werden zeilenweise vorgetragen und jeweils durch ein paar dazwischen
           gesetzte Akkorde getrennt.
 
                  Hüte dich drum vor der List der Schlange,
                  tröste die Kranken, verschmähe das Gold,
                  meide Verschwendung, wenn du die Sterne erreichen willst.      

                  Umgürte deine Lenden mit dem reinen Gürtel der Keuschheit
                  und trage brennende Lampen dem großen König entgegen.
     
Aufführungsdauer: 22 Minuten
Komponiert für das "Symposium on Music criticism" Harvard Universität, Cambridge, Mass. Mai 1947
Text: Ein lateinisches Gedicht, vor 700 - aus dem Oxford-Buch lateinischer Gedichte des Mittelalters
Die orthografischen Eigentümlichkeiten der Originaldichtung wurden beibehalten (u.a. Karitas, Xristus)

Das Programmheft wird  - wie immer bei uns - die nötigen Hinweise zum Verständnis enthalten.
Die Kantate ist nur sehr selten zu hören und erweitert so das gängige Oratorien-Reperoire um ein wirkungsvolles Stück. Als Ergänzung zum Requiem von Fauré, welches das
"Dies irae" ausgespart, wird sie eine so eindringliche Wirkung entfalten, dass CD-Aufnahmen - so gut sie sein mögen - nicht mithalten können.


Paul Hindemithnformationen: Sehr interessante Homepage mit vielen Bildern und Zitaten, humorvollen Sprüchen. Auch einige seiner genialen Zeichnungen sind dort zu sehen.