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     Bach: h-Moll-Messe 2017
1)  "Transparent musiziertes Wunderwerk" - Bericht WN                                      
2) 
Eine besondere Verbindung
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1) Pressebericht Westfälische Nachrichten
So., 3.12.2017   Kantorei an der Apostelkirche sang Bachs h-Moll-Messe
Transparent musiziertes Wunderwerk

Klaus Vetter bot mit der Kantorei an der Apostelkirche und dem Orchester „Le Chardon“ eine Großtat.
Klaus Vetter bot mit der Kantorei an der Apostelkirche und dem Orchester "Le Chardon"
eine Großtat.
Foto: Günter Moseler

Münster - Nur wenige Stücke der Musikliteratur wurden so kategorisch vom Nimbus unanfechtbarer Trans- zendenz heimgesucht wie Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe. Als Inbegriff der Hochkultur stieg sie in der öffentlichen Wertschätzung vom gelehrten Meister- zum von göttlicher Inspiration erleuchteten Wunderwerk. Als Klaus Vetter den Einsatz für das Barockorchester „Le Chardon“ und die Kantorei an der Apostelkirche gab, war es so still wie in einer Mitternachtsandacht.

Doch schon die chorischen Anrufungen des „Kyrie“ besaßen Schärfe und Vehemenz, die jeden Glaubenszweifel abzuweisen schienen. Das punktierte Kopfmotiv ließ Vetter im Orchesterritornell federnd leicht ausspielen, als sollte der unnahbare Gestus der Musik durch Leichtherzigkeit an Höhe und Tiefe zugleich gewinnen. Der an der Historischen Aufführungspraxis geschulte Zugriff bewirkte nicht selten eine Intimität des Ausdrucks, die sich musikalischer Monumentalität entzog. Auffällig die sorgfältige Phrasierung, die sich in der fünfstimmigen Chorfuge fortsetzte. Instrumentale und vokale Transparenz ließen die dynamische Modernität der hyperkomplexen Kontrapunktik hervortreten – man hörte kein museales Heiligtum, sondern Musik von heute.

Es war aber der Chor, dessen Intensität im statuarischen dritten „Kyrie eleison“ oder mystischen „Crucifixus“ nachhaltig beeindruckte, wie auch seine athletische Verve in den großen Jubelchören: im stolzen „Gloria in excelsis Deo“, dem todesmutig gefetzten „Cum Sancto Spiritu“ oder im „Sanctus“ mit rasanten Skalen-Sprints im ekstatischen Abschluss „Pleni sunt coeli“. Ovationen für die Großtat Vetters und seiner Musiker.

2) Die Partitur der h-Moll-Messe in der Apostelkirche – eine besondere Verbindung

Die Partitur aus der Klaus Vetter das Konzert dirigierte wurde 1954 von Friedrich Smend herausgegeben, einem berühmten Bachforscher, der eng mit der Geschichte der Apostelkirche verbunden ist. Seine Bach-Liebe, die er zu seinem Beruf machte, geht auf seinen Großvater Friedrich Smend zurück. Dieser war Mitte des 19. Jh Pfarrer an der Apostelkirche und begründete mit der Aufführung von Bach-Kantaten in der Apostelkirche die älteste Bach-Tradition in unserer Stadt. Großvater und Enkel trugen denselben Vornamen: Friedrich.

Die von Smend edierte Partitur war über 40 Jahre die offizielle Partitur der "Neuen Bach-Ausgabe" (NBA), und wurde überall in der Welt verwendet. 
Seine These allerdings, die h-Moll-Messe sei eine "Sammlung von
 voneinander unabhängigen Kirchenmusikwerken ohne beabsichtigten Zusammenhang" wurde durch neuere Forschungsergebnisse widerlegt. Mit Hilfe der Röntgenfluoreszenzanalyse konnte u.a. die zeitliche Einordnung der Entstehung der einzelnen Teile genau bestimmt werden.
Inzwischen hat die Wissenschaft auch über Aufbau und Struktur des Symbolum neue wichtige Erkenntnisse gewonnen. Demnach hatte Bach das Glaubensbekenntnis zunächst  in 8 Teile gegliedert, es aber später in 9 Teile geändert, um das Crucifixus als zentrale Aussage genau in der Mitte platzieren zu können. In Smends Ausgabe steht noch die erste Fassung des "Et in unum deum" im Credo, während die endgültige erst am Ende der Partitur als sog. "Variante" abgedruckt ist.
Das mindert seine Verdienste um die Bach-Forschung nicht. Smend war immerhin der erste, der die instrumentale Oberstimme des "Benedictus" unter Hinweis auf Umfang und Figuration dem Flauto traverso zuschrieb, was inzwischen allgemein anerkannt und praktiziert wird. Zuvor wurde sie  von der Violine gespielt, da Bach in der Partitur keine Angaben zur Besetzung gemacht hat.

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