Händel Coronation Anthems - Ostern 2006:

 
Dem Herrn ein neues Lied gesungen
Händels Krönungskantaten als österliche Werke  Von Markus Küper    WN 18.04.2006
Münster. Mit einem gewissen Jubelchor aus dem populären „Messias“ kann es die Musik von „Zadok the Priest“ locker aufnehmen. Viel zu schade, um gemeinsam mit ihren drei Schwestern auf die nächste Krönung im Vereinigten Königreich zu warten, ist sie allemal. Dort nämlich gehört diese „Coronation Anthem“ eigentlich hin. Seitdem Georg Friedrich Händel, seinerzeit Hofkomponist „for his Majesty’s Royal Chapel“, sie zur feierlichen Inthronisation von König Georg II. komponierte. Das war 1727.
Dank der Münsteranerin Dagmar Jacoby ist es mit der Abstinenz nun vorbei. Sie holte die Krönungskantaten der Westminster Abbey in die Osterliturgie der Apostelkirche. Indem sie das machte, was auch für den gar nicht zimperlichen Händel das Selbstverständlichste von der Welt war und was er für seine Oratorien „Esther“, „Deborah“ oder „Athalia“ mit dieser Musik ebenfalls tat: sie parodierte. Sie schrieb einfach neue Texte zur Musik. Schwups – schon werden aus den vier Krönungskantaten prachtvolle Osterkantaten. Und statt der zeremoniellen Salbung eines weltlichen Herrschers zu huldigen,
wird nun – im wahrsten Sinne des Wortes – dem Herrn ein neues Lied gesungen. 
Dem Dirigenten Klaus Vetter, seinem Figuralchor und dem Kammerorchester der Apostelgemeinde sei Dank, wird nun zu „The king shall rejoice“ der Tod mit Pauken und Trompeten besiegt. Mit festlichem Glanz im prunkvollsten Kolossalstil. Dazu passt es gut, wenn die Sequenzen die breite Treppe zum Thron emporsteigen und der Chor mit ansteckender Begeisterung seine Koloratursalven abbrennt. Warum auch sollte ein solch vorzüglicher Klangkörper den auferstandenen Heiland nicht mindestens so leidenschaftlich anhimmeln dürfen wie verzückte Teenies den monarchischen Hoffnungsträger Prinz William. . .
Mit viel Gespür für die teils abrupten Affektwechsel der Musik sind diese deutschsprachigen Texte  unterlegt. Auch für ihre melancholischen Momente. Wo in „Let Thy Hand be Strengthene“ chromatische Vorhalte wie Seufzer die Stille füllen, tröpfeln nun Karfreitagstränen zu den Worten „Gestorben, begraben“ in den Kirchenraum. Sehr wirkungsvoll heißt Vetter seine Sänger schweigen.
Dennoch: Königliche Klangprotzerei gehört einfach dazu, wenn Vetter für die frohe Osterbotschaft die Kronjuwelen dieser Kantaten zum Funkeln bringt. Wenn auch stets mit noblem, dem Anlass angemessenen Gepräge. God save his „Figural Choir“!

Westfälische Nachrichten, 18. April 2006



 G. F. Händels Krönungskantaten mit neu verfasstem deutschen Text

Die vier Anthems wurden 1727 von Händel für das Englische Königshaus komponiert. Da der Text speziell auf den Festgottesdienst anlässlich der Krönung eines Königs ausgerichtet ist, war auch die Musik lange Zeit nicht für andere Gelegenheiten verwendbar. Dies änderte sich, als Dagmar Jacoby 2006 im Auftrag der Kantorei - zu deren 60. Jubiläum  – diesen Anthems einen neuen Text in deutscher Sprache unterlegte. Im Gegensatz zur Passionszeit  gibt es leider recht wenig Musik zum Osterfest. Mit unserer eigenen Bearbeitung steht aber nun ein Werk zu diesem Anlass zur Verfügung, das das Ostergeschehen mit Pauken und Trompeten  besonders festlich  zum Ausdruck kommen lässt.

Text und Musik sind eng aufeinander bezogen. Sprache und Inhalt sind zwar neu, aber der Affekt ist gleich und für den Hörer sofort nachvollziehbar. 
Der Beginn der 1. Kantate z.B., wird vom Affekt der Freude bestimmt, der durch  lange Ketten von Achtelnoten musikalisch ausgedrückt wird. Dem Englischen Originaltext ist  „rejoice“ unterlegt, der Deutschen Fassung  „befreit“.
Der langsame Mittelteil der 2. Kantate enthält viele chromatische Vorhalte und Pausen, den Affekt des Schmerzes und der Trauer. Dieser  wird durch den  neuen Text „gestorben, begraben“ noch verstärkt.
In der 3. Kantate (nach der Predigt) sind 2 Affekte gleichzeitig zu hören: im Chor zum Text „Ich lud Schuld auf mich“, der Affekt der Buße, während gleichzeitig lebhafte Streicherfiguren die Freude des Herzens über die Vergebung der Sünden ausdrücken.
Die letzte Kantate „The king shall rejoice“  bekommt durch den neuen Text „Der Tod ist besiegt“, wieder eine ganz andere Aussage als das Original. Doch auch hier ist der Affekt der Freude bei beiden gleich: lange Koloraturen auf dem letzten Wort unterstreichen ihn festlich.  

Dagmar Jacoby, geb. 1942, ist Mitglied der Apostelkirchengemeinde und hat in den letzten Jahren mehr als 80 Gedichte in der Münsterschen Zeitung veröffentlicht. 2002 erschien ihr erster Gedichtband „Es ist angedichtet“.

Die Noten für die Chorpartituren erstellte Suse Barenhoff  (2. v.r.)
Vor Beginn der ersten Chor-Probe am 2.2.2006 erhielt Dagmar Jacoby (2.v.l.)

von Kantor Klaus Vetter das erste Exemplar der Händel-Noten mit dem von ihr
unterlegten neuen Text. Im Hintergrund der Figuralchor an der Apostelkirche.

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