Geschichte der Apostelkirche
Die Apostelkirche in Münster / W.
- von Johann-Friedrich Moes
Die frühe
Baugeschichte
Datierung und
baugeschichtliche Einordnung
Architekturgeschichtliche
Einordnung
Die
jüngere Baugeschichte
Wiederaufbau
nach dem 2. Weltkrieg
Neugestaltung des
Chorraumes
Die Ausstattung
Die Orgel
Die Gewölbemalereien
Literatur
Wer die Apostelkirche zu Münster nördlich
des Ringmarkts (Roggenmarkt/ Bogenstraße) an der Neubrückenstraße
gelegen - betritt, ist beeindruckt von dem ebenmässig gegliederten,
harmonisch gestalteten Raum, zumal wenn dieser an einem hellen Tag von
Sonnenlicht durchflutet ist.
Die drei gleich langen, gleich hohen Schiffe
mit dem davor gelegenen Chorraum in ihren ausgewogenen Maßen lassen
eine einheitliche, konsequent durchgeführte Bauidee vermuten. Und
es handelt sich in der Tat um die erste rein gotische Hallenkirche in Westfalen.
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Erst bei längerem Verweilen fallen
Unterschiede auf: Die Pfeiler der südlichen Reihe
sind mit schön profilierten Diensten
versehen, die der nördlichen schlicht rund;
die meisten Fenster sind zweibahnig und
schließen mit einem Dreipaß ab, andere
dreibahnig und laufen in ein “Fischblasen”-Maßwerk
aus. Hieraus ist zu schließen,
daß die Baugeschichte doch komplizierter
ist, als der erste Blick vermuten läßt.
Zeichnen wir diese zunächst nach.
Die
frühe Baugeschichte
Die heutige Apostelkirche gehörte
einst zum Kloster der Franziskanerminoriten, das
in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts
entstand. Das Gelände fällt von dem Rücken,
der Dom und Lambertikirche trägt,
zur Aa hin ab, die sich einst in mehrere Arme teilte;
die Kirche steht auf der Kante des sandigen
Grundes, zum Teil auf Pfähle gegründet,
während die nördlich anschließende
Klosteranlage schon in der eigentlichen Aa-Niederung lag. Im Westen war die Anlage
begrenzt durch einen kleinen Bach, der
vom Drubbel zur Aa hinfloß, im Osten
von der heutigen Neubrückenstraße.
Das Kloster beherbergte einst die Hochschule
der Kölner Ordensprovinz.
Dies mag der Grund gewesen sein, die hl.
Katharina von Alexandrien, die als
Schutzheilige der Wissenschaften gilt,
zur Patronin der Kirche zu bestimmen.
Diese wurde unmittelbar an den südlichen
Flügel des Kreuzgang-Gevierts angebaut;
daher ist die Nordwand des Chorraums als
Brandmauer mit blinden Fenstern ausgeführt.
Die Kirche bestand ursprünglich aus
nur zwei Schiffen, dem Mittel- und dem südlichen
Seitenschiff zu je sechs Jochen, dazu
dem Chorraum aus drei Jochen mit 5/8-Abschluß.
Die Joche des Seitenschiffes liegen über
quadratischem Grundriß mit einer Seitenlänge von 4,55 m; dies
ergibt für das doppelt so breite Mittelschiff rechteckige Joche und
eine dichte Folge der Pfeiler. Diese sind "kantoniert", d.h. mit je vier
"Diensten" auf viereckigen Sockeln versehen, die die diagonalen Gewölberippen,
die ihnen entsprechen den Gurtbögen zwischen den Jochen und die etwas
breiteren Scheidbögen zwischen den Schiffen tragen. Die Kapitelle
sind kelchförmig gestaltet. Die Höhe der Gewölbe entspricht
der des Raumes darunter: 6,10 m, vom Boden bis zu den Deckplatten der Säulen,
von dort bis zum Scheitel der Gurtbögen ebenfalls 6,10 m (vom Boden
bis zu den Schlußstein 12,80 m).
Die Fenster sind zweibahnig ausgeführt
und enden über einfachen Spitzbögen in einem Dreipaß. über
dem Südportal (im fünften Joch) befindet sich ein Rundfenster
mit Maßwerkfüllung aus sechs Dreipässen.
Erste Erweiterungen
Im Mai 1508 tritt
im münsterschen Kloster das Provinzialkapitel der Minoriten zusammen.
Dies wird der Anlaß gewesen sein, die Kirche um zwei Joche nach
Westen zu erweitern; hier haben die Pfeiler
einen etwas größeren Abstand. Gleichzeitig wurde ein nördliches
Seitenschiff angefügt und am bisherigen Bau entlang bis zum Kreuzgang
weitergeführt, von Westen vier Joche umfassend.
Wurden im Süden
die Pfeiler in der bekannten Form mit vier Diensten ausgeführt, so
wurden im Norden schlichte Rundpfeiler errichtet. Kennzeichen dieses Erweiterungsbaus
sind die dreibahnigen Fenster, die in ein Fischblasen-Maßwerk auslaufen.
Auch die Fenster in der Westwand der Seitenschiffe sind dreibahnig, aber
durch eine Maßwerk Bogenreihe quergeteilt. In der Westwand des Mittelschiffes
findet sich über einem schlichten Spitzbogen-Portal ein fünfbahniges
Fenster.
In diesem Zustand muß die Kirche verwinkelt, unharmonisch
gewirkt haben: Im rückwärtigen Teil dreischiffig, im mittleren
zweischiffig, der Chorraum mit seiner Nordwand die Nordwand der Kirche
fortsetzend. Über diesen Zustand hätten, wie eine Urkunde von
1661 berichtet, der päpstliche Legat Fabio Chigi und andere im Kloster
untergebrachte Teilnehmer an den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden
1648 "Jammer und Klage hören" lassen,
so daß Chigi aus persönlichen
Mitteln Geld für eine Erweiterung zusagte. Die Erfüllung
dieser Zusage blieb er jedoch - über
seiner Wahl zum Papst (Alexander VII.) - schuldig.
Bauliche Vollendung nach 400 Jahren
Aber in dem münsterschen Fürstbischof
Christoph Bernhard von Galen fanden die Mönche einen anderen Förderer,
und so wurde in den Jahren 1654-59 das Nordschiff vollendet. Diesmal kennen
wir auch den Baumeister mit Namen: Franz Gaugrebe aus Bielefeld, Bau meister
der Kölner Ordensprovinz der Minoriten und Angehöriger des münsterschen
Konventes.
Die Erweiterung ist nicht nur eine technische
Meisterleistung der Barockzeit; sie zeichnet sich vor allem durch Einfühlsamkeit,
ja Demut aus. Sie fügt sich unter Verzicht auf jede eitle Originalität“t
vollkommen in die vorhandene Bausubstanz ein. Die Rundpfeiler der Nordreihe
werden fortgesetzt; die zweibahnigen Fenster mit Dreipaß entsprechen
denen der gegenüberliegenden Seite. So wurde nach 400 Jahren die gotische
Halle vollendet, deren vollkommene Gestalt, deren harmonische Proportionen
den Besucher bis auf den heutigen Tag erfreuen.
Im Zusammenhang mit dieser
Erweiterung wurde der Lettner, der den Chorraum vom Schiff trennte und
nach den darin aufgestellten Figuren der "Apostelgang" genannt wurde, entfernt
und der Blick auf den Hochaltar der hl. Katharina freigegeben.
Die östlichen
Joche der beiden Seitenschiffe wurden als Kapellen abgemauert und davor
im Norden ein Antonius-, im Süden ein Marien-Altar aufgestellt.
Wohl
zur besseren Belichtung der Altarplätze wurden die Fenster in den
zweiten Jochen dreibahnig mit Fischblasen-Maßwerk gestaltet.
An diesen Ausbau erinnert ein Wappenstein
an der Ostwand des nördlichen Seitenschiffes mit dem Wappen des
Fürstbischofs und der Unterschrift: “Nono ChrlstophorVs BernarDVs
EpIsCopVs anno sVb RoChl CasennonoqVoqVe praesIDls anno IsthaeC eVeXIt
pataVlno teCtca parentl” Zu deutsch: Bischof Christoph Bernhard hat im
neunten Jahr, ebenfalls im neunten Jahr des Guardians Rochus Casen, diese
Gewölbe dem paduanischen Vater (dem hl. Antonius von Padua) aufgeführt.
Das Chronogramm ergibt das Jahr 1659. Auch am Außenbau sind die drei
Bauabschnitte zu erkennen. Das Mauerwerk ist beim ursprünglichen Bau
aus Bruchsteinen aufgeführt. Beim spätgotischen Erweiterungsbau
finden sich in der Südwand Werksteine, in der Westwand über
einem Sockel aus Bruchsteinen Backsteine, während die nördliche
Mauer ganz aus Backsteinen errichtet ist.
Dementsprechend ist dann auch die Mauer
des ergänzten nördlichen Seitenschiffes in
Backsteinen aufgeführt.
Im dritten
Joch der Südwand, an einem Strebepfeiler, befindet sich ein arg verwitterter
Gedenkstein. Ihm gegenüber ist auf einer Bronzetafel die Inschrift
in deutscher Sprache wiedergegeben. Er erinnert an die Gefallenen der Schlacht
von Varlar 1454. ln dieser Schlacht siegten Adel und bischöfliche
Landesherren über die Bürger der Stadt, die einen anderen als
den vom Domkapitel erwählten Kandidaten auf dem bischöflichen
Stuhl sehen wollten. So galten sie als Aufrührer, und man verweigerte
den Gefallenen das Begräbnis auf den Friedhöfen der Pfarreien.
Auf dem Friedhof der Minoriten fanden sie ihre letzte Ruhe.
Daß die
Apostelkirche keinen Turm hat, ist begründet in der Ordnung, die sich
die Bettelorden für ihre Kirch bauten gegeben hatten. Stattdessen
trägt sie einen Dachreiter von sechs eckiger Gestalt, mit Schiefer
verkleidet, mit einer hohen, schiefergedeckten Spitze.
Auch dieser Dachreiter hat seine Geschichte.
Es gibt eine Radierung von Caspar Merian, die die Beschießung der
Stadt durch Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen im Oktober 1657
zeigt. Mit dieser Maßnahme wollte er die Bürger der Stadt zwingen,
eine Besatzung bischöflicher Truppen aufzunehmen, weshalb die Bürger
ihn später den "Bomben-Bernd" nannten. Unter der Nr. 7 vermerkt die Bild-Unterschrift:
"S. Catharinen Kirch, an welcher daß Thürmlein abgeschoben worden."
Es dürfte im Zuge der baulichen Erweiterung jener Jahre erneuert worden
sein.
Die Zerstörung des Dachreiters ist in der späteren Klosterchronik
zwar nicht erwähnt, erklärt aber eindeutig den Umstand, daß
im Jahre 1675 drei neue Glocken beschafft wurden. Eine vierte ,größere
Glocke von 1537 scheint die Zerstörung überdauert zu haben, fügte
sich aber, trotz Umguß, nicht in den Klang und wurde im Ersten Weltkrieg
beschlagnahmt, ebenso eine sie ersetzende Glocke im Zweiten Weltkrieg.
Sie wurde nicht ersetzt.
So besitzt die Apostelkirche wohl das
älteste, aus mehreren ursprünglich zusammengehörenden Glocken
bestehende Geläut der Stadt. Alle drei wurden von dem aus Lothringen
stammenden Glockengießer Peter Hemony in Amsterdam gefertigt. Die
größte ist nach der hl. Katharina genannt und auf e2 gestimmt;
die zweite trägt den Namen des hl. Franziskus und klingt auf gis2;
die dritte heißt nach Antonius von Padua und hat den Ton h2. Die
Glocken sind klein (Höhe zwischen 49 und 33 cm, Durchmesser zwischen
62 und 43 cm), aber liebevoll mit den Stifterwappen von Fürstbischof,
Domkapitel und Stadt geschmückt und mit reichen Omamentfriesen verziert,
und vor allem: Sie haben einen hellen, weichen, reich entfalteten Klang.
So gelten sie mit Recht als eine Kostbarkeit in historischer wie in musikalischer
Hinsicht.
Datierung und
baugeschichtliche Einordnung
Über den Beginn und die Vollendung
des Baus der münsterschen Minoritenkirche fehlen urkundliche Angaben;
sie sind also nicht mit Bestimmtheit zu datieren. Eine Kölner Urkunde
setzt die Niederlassung der Franziskaner für das Jahr 1247 an. Es
scheint sich dabei je doch nur um eine Terminei, eine Art Herberge für
umherziehende Mönche, gehandelt zu haben, denn die Chronik der Zisterzienser
von Marienfeld benennt Bischof Gerhard von der Mark (1261-71) als einen
Förderer der Franziskaner, der sie nach Münster geholt habe.
Diese werden sogleich mit dem Bau der
Kirche, und zwar des Chores als ihrer Gebetsstätte, begonnen haben.
Damit stimmt zusammen, daß die Untersuchung von Holzproben aus dem
Gebälk des Chores ein Fälldatum von 1266 als wahrscheinlich erscheinen
läßt. Zu dieser Zeit mußten dann die Chormauern schon
gestanden haben. Weiteren Aufschluß gibt die baugeschichtliche Einordnung.
Gotische Hallenkirchen sind in Westfalen bereits eher im Bau gewesen, nämlich
das Langhaus der Stiftskirche St. Marien in Herford (seit 1228) und des
Doms von Paderborn (seit etwa 1231). Wohl ziehen sich auch dort die Gewölbe
in gleichen Schritten durch das Mittel- und Seitenschiff, doch ist ihre
Form vom Mittelschiff her bestimmt: Das kuppelartige Gewölbe über
fast quadratischem Grundriß der Joche des Mittelschiffs ergibt für
die Seiten schiffe Joche in der Form längsgerichteter Rechtecke. Somit
scheiden diese Kirchen als Vorbilder der Minoritenkirche aus.
Eine ihr entsprechende Aufteilung der
Gewölbe findet sich jedoch in der Kölner Minoritenkirche wieder,
begonnen 1244/45, dazu zahl reiche Einzelheiten (z.B. kantonierte Pfeiler
mit vier Diensten, Gurtbögen von gleicher Form wie die Gewölberippen);
jedoch hat der Chor einen 5/10 Abschluß und zeigt gänzlich andere
Formen. Außerdem ist die Kölner Minoritenkirche keine Halle
mit gleichhohen Schiffen, sondern eine Basilika mit zwei niedrigen Seiten
schiffen, die das hohe Mittelschiff begleiten.
Architekturgeschichtliche
Einordnung
Die Ausführung der münsterschen
Minoritenkirche als Halle scheint von der Elisabethkirche in Marburg bzw.
der Zisterzienserkirche in Haina übernommen zu sein, die um die gleiche
Zeit längst im Bau waren. Auch andere Beziehungen weisen auf Hessen.
So hat die Prämonstratenserkirche in Altenberg bei Wetzlar die gleichen
Rippen und Gurtbögen, die gleichen Kapitelle und die gleichen Fenstergewände
wie die Minoritenkirche, und die Ruine der Franziskanerkirche in Oberwesel
(Rheinhessen) zeigt im Chor die gleichen Kapitelle, hat auch den zweischiffigen
Grundriß, wenn auch mit weiterem Pfeilerstand (Chor um 1280, Langhaus
später begonnen). Die münstersche Minoritenkirche hat auch "Verwandte"
und "Nachfahren", vor allem die Minoritenkirche St. Marien in Höxter,
deren Chorbau schon 1250 begonnen wurde. Sie ist ebenfalls zweischiffig,
jedoch mit niedrigerem Seitenschiff; auch sind die Joche im schmaleren
Mittelschiff stärker dem Quadrat angenähert, so daß Mittel-
und Seitenschiff nicht so stark voneinander getrennt sind. Dies ist noch
deutlicher in der Minoritenkirche Neu-St. Thomae in Soest (seit 1274 im
Bau). Auch hier handelt es sich um eine dreischiffige Hallenkirche; jedoch
haben die kantonierten Pfeiler - nach dem Vorbild des Mindener-Dom-Langhauses
- weiteren Abstand, so daß bei den Jochen des Mittelschiffes wie
auch der Seiten schiffe rechteckige Gewölbegrundrisse einstehen. Schließlich
ist im Stadtgebiet von Münster noch die Nikolauskirche in Wolbeck
zu nennen. Sie hat als Pfarrkirche einen kurzen Chor (ein Joch und 5/8-Schluß)
und ein gedrungenes Langhaus mit nur vier Jochen, ähnelt aber in der
Gestaltung der Gewölbe der Minoritenkirche. Auch hier sind die mit
vier Diensten besetzten Pfeiler - wie in Höxter und Soest - weiter
gestellt, die Schiffe nicht so deutlich voneinander getrennt. Es sieht
so aus, als habe sich der dichte Pfeilerstand, der die Schiffe stark von
einander scheidet, für eine Predigtkirche nicht bewährt, so daß
man von ihm abgerückt ist. Jedenfalls weist die baugeschichtliche
Einordnung auf die Vollendung der Minoritenkirche in Münster im neunten
Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts hin.
Die
jüngere Baugeschichte
Aufgrund des Reichsdeputationshauptschlusses
von 1803 übernahmen die Preußen Fürstbistum und Stadt Münster.
Im Zuge der Besetzung der Stadt im folgenden Jahr verwiesen sie die10 letzten
noch im Kloster lebenden Mönche zu den Dominikanern und beanspruchten
die Klostergebäude als Kaserne, die Kirche für die Gottesdienste
der Soldaten und der nachrückenden Zivilisten. Dabei mauerten sie
den Chorraum ab, in dem Decken eingezogen und Wohnungen eingerichtet wurden.
Gleichzeitig erhielt die südliche Kapelle eine Toröffnung, da
mit man sie zum Abstellen von Geräten
(Feuerspritze?) verwenden konnte. Die
zugemauerte Öffnung ist noch zu erkennen.
In der Zeit der napoleonischen
Besetzung wurde gar die ganze Kirche als Lagerraum verwendet. Dieser Zustand
erschien dem verantwortlichen Kommandeur, General- leutnant von Thielemann,
unwürdig. Er berichtete 1818 an das Ministerium, und so erhielt die
Oberbaudeputation in Berlin unter Leitung von Karl Friedrich Schinkel den
Auftrag in Zusammenarbeit mit den örtlichen Stellen, die Kirche wiederherzustellen.
Der Chorraum wurde wieder geöffnet, die Wohnungen entfernt. Im dritten
Joch des Chores (von Osten gerechnet) fand ein neugotischer Altar seinen
Platz, geschmückt mit einem von König Friedrich Wilhelm III.
geschenkten großen Gemälde, das den ungläubigen Thomas
darstellte. Den dahinter liegenden Raum erhöhte man, um bei festlichen
Anlässen Raum für die Musiker zu bieten (sog. Trompeterchor);
darunter wurde die Sakristei eingerichtet. Die Kapellen in den östlichen
Jochen der Seitenschiffe entfernte man und baute in der ganzen Länge
der Seitenschiffe Emporen ein, doch so, daß die Lichtführung
nicht behindert wurde.
1822 wurde die neugestaltete Kirche eingeweiht.
Am 18. Januar 1840 ging die Kirche in den Besitz der Zivilgemeinde über,
doch fanden in ihr auch weiter die Gottesdienste der Militärgemeinde
statt. (Dies geschieht auch in der Gegenwart.) Um diese Zeit wurden auch
die baufällig gewordenen Klostergebäude abgetragen. An ihrer
Stelle entstanden Dienstgebäude der Garnison. Den unmittelbar an den
Chorraum anschließenden Teil baute man zum Küsterhaus um. Bei
einer Restaurierung 1867-69 wurde das Bogenfeld über dem Südportal
mit neugotischem Bildwerk versehen und 1936 ein Windfang davorgebaut.
Der
Bau der Erlöserkirche, eingeweiht am 31. 10. 1900, machte es nötig,
der nunmehr als "alte Kirche" bezeichneten evangelischen Kirche einen Namen
zu geben. So beschloß das Presbyterium am 19. Dezember 1922, sie
"Apostelkirche" zu nennen. Die Erinnerung an die Apostelfiguren am ehemaligen
Lettner mag dabei mitgespielt haben.
In den Jahren 1936-37 fand eine umfangreiche
Restaurierung statt. Die Schinkel- schen Emporen wurden entfernt, Altar und
Kanzel vereinfacht (Bild vorher, Bild nachher). Bei den Arbeiten an den Gewölben entdeckte man
die Malereien und stellte sie sorgfältig wieder her.
Wiederaufbau
nach dem 2. Weltkrieg
Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Apostelkirche
schwere Beschädigungen.
Bild
Einige Sprengbomben trafen sie unmittelbar,
andere schlugen in nächster Nähe ein. Die Folgen: Die drei westlichen
Joche des Mittel- und des nördlichen Seitenschiffes stürzten
ein; weitere Gewölbe und Pfeiler wurden beschädigt, die Fenster
und einige Maßwerke durch den Luftdruck zerstört. Der Wiederaufbau
der Kirche muß als eine große Leistung der Nachkriegsgeneration
angesehen werden. Ihr ist es zu danken, daß die kostbare gotische
Halle in ihrer ganzen Schönheit wieder erstanden ist.
Der Wiederaufbau
hat sich nach den notwendigen Sicherungsarbeiten in den ersten Nachkriegsjahren
im wesentlichen in zwei Abschnitten vollzogen: Zunächst wurde der
Hauptteil der Kirche gegen den zerstörten Westteil durch eine provisorische
Trennmauer hinter dem fünften Joch abgeschirmt. Sodann wurden die
beschädigten Pfeiler, Gewölbe und Maßwerke wiederhergestellt,
das Dach neu eingedeckt und die Fenster vorläufig verglast. Im Jahre
1949 konnte der erste Gottesdienst in der
erneuerten Kirche gefeiert werden. Bis
zum Jahre 1954 wurde dann der zerstörte Westteil der Kirche in möglichst
enger Anlehnung an den ursprünglichen Zustand wieder aufgebaut und
die Trennmauer entfernt. Im Zusammenhang dieser Arbeiten errichtete man
am westlichen Ende des Mittelschiffs eine Orgelempore.
Anfang der 60er
Jahre erwiesen sich weitere Arbeiten als notwendig. Zunächst wurde
der mittelalterliche Wandrest des zerstörten Küsterhauses gesichert.
Die hier entstehende Sakristei wurde später in den Neubau des Kreiskirchenamtes
einbezogen. Das spitzbogige Portal zur Sakristei gilt als eines der Fenster
der mittelalterlichen Sakristei.
Sodann wurde der “Trompeterchor” entfernt
und der gesamte Boden des Chorraums tiefer gelegt. Absinken des Grundwassers
und Erschütterungen durch Bautätigkeit und Verkehr machten es
nötig, die noch auf mittelalterlichen Holzpfählen ruhende Nordwand
des Chores und die Ostwand des nördlichen Seitenschiffes mit einer
neuen Pfahlgründung zu unterfangen.
An den Abschluß des Wiederaufbaus
erinnert ein Chronogramm im westlichen Chorgewölbe:
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ECCLESIA SANCTIS APOSTOLIS SACRATA
Die den heiligen Aposteln geweihte Kirche
VIGINTI ORBIBUS ANTHAC BELLO EVERSA
vor 20 Jahren im Krieg zerstört
NUNC PIE RENOVATA
nun treulich erneuert
PATRI CAELESTI LAETAS LAUDES CANTAT
singt dem
himmlischen Vater frohes Lob
CANTETQUE INTEGRA FUTURIS IN SAECULIS
und
möge es in künftigen Jahrhunderten
unversehrt singen
MDCCCCLXIV
1964
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Neugestaltung
des Chorraumes
Doch erst nach einer längeren Erprobung
wurde der Chorraum neu gestaltet, und zwar im Jahre 1976 durch den Bildhauer
Heinrich Gerhard Bükker aus Beckum-Vellern. Dieser entwarf auch
die Ausstattung der Taufkapelle gegenüber dem südlichen Eingang,
die im Jahre 1979 hergerichtet wurde.
Als die Vollendung des Wiederaufbaus
dürfen wir die Einbringung der farbigen Fenster in den Chorraum in
den Jahren 1990 und 1992 ansehen. Sie wurden nach Entwürfen
von Paul Weigmann aus Leverkusen in der
Glasmalerwerkstatt Dr. Heinrich Oydtmann in Linnich hergestellt. In ihrer
Gestaltung sind Blätter und Ranken erkennbar in abstrakten Farben
gehalten. Damit nehmen die Fenster Motive aus den Gewölbemalerei auf.
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Die drei Fenster im Chorabschluß
sind in kräftigen Farben, von erdigem Rot in blaue Töne übergehend,
gestaltet und schließen damit den Raum wirklich nach außen
ab.
Die silbernen "Blätter" lassen das
Licht hell aufstrahlen, in deutlichem Kontrast zu den Farben. Auf diesem
Hintergrund kann das Kreuz, alter Symbolik folgend, als Lebensbaum angeschaut
werden.
Die Fenster in der Südwand des Chorraumes bilden
einen Übergang zu den mit schlichtem, handgezogenem Goethe-Glas ausgestatteten
Fenstern des Langhauses.
Ihre Motive sind sparsamer, ihre Farben
ruhiger gehalten und lassen so die Fenster im Chorabschluß in ihrer
ganzen Leuchtkraft hervortreten. Mit dem Verzicht auf figürliche Darstellungen
fügen sich die Fenster in den sparsamen Stil der Bettelmönchskirche.
Mit ihren leuchtenden Farben geben sie
dem Altarraum einen deutlichen Akzent. |
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Die Ausstattung
Im Scheitel des Chorraumes ist eine
Bildtafel aus dem Zyklus "Genesis" von H. G. Bücker angebracht. Auf einem kupfernen Viereck findet sich eine kreisförmige Scheibe
aus Aluminiumguß, in ihrer Mitte eine gewölbte Goldscheibe,
die die Versteinerungen zweier Fische (ca. 180 Mio. Jahre alt) trägt Plakat zur Schöpfung.
Dasselbe Gold erkennt man waagerecht am
Fuß und in Form eines Kreissegments am Kopf der Scheibe. Es deutet
so auf das Getragen- wie Durchdrungenwerden der Schöpfung durch den
Geist Gottes hin.
In der Mitte des Chorraums ist ein großes Kruzifix
(ebenfalls von H. G. Bücker) aufgehängt, das Kreuz aus Mooreiche,
der Corpus aus Bronze. Die Gestalt des Gekreuzigten, fast vor dem Kreuz
schwebend, läßt die Auferstehung ahnen.
Der Altar, aus Sandsteinplatten
gefügt, erscheint recht klein; erst mit der um ihn versammelten Gemeinde
ist er vollständig.
Auch Lesepult und Osterleuchter aus Bronze, mit
Berg kristallen geziert, sind von H. G. Bücker entworfen. Zu beiden
Seiten des Altars sind je zwei Chorbänke aufgestellt.
Sie gehörten einst zum Chorgestühl
der Franziskaner aus dem 18. Jahrhundert. Das Blatt der zur Sakristei fahrenden
Tür wurde 1963 von Theodor A. Winde geschaffen. 1970 entstand die
Kanzel nach Entwürfen der Dozenten Ernst Schlüter und Hans Joachim
Winde von der hiesigen Werkkunstschule.
An der östlichen Wand
des südlichen Seitenschiffes befindet sich der Flügelaltar,
der 1950 von dem Kirchenmaler Hermann Oetken aus Delmenhorst geschaffen
wurde und seinen Platz zunächst im Chorraum hatte. In der Mitte ist
in Holz geschnitzt, der Gekreuzigte zu sehen. Die Flügel zeigen in
geöffnetem Zustand die Gestalten der zwölf Apostel. Sie erinnern
in ihrer Darstellung an mittelalterliche Vorbilder. Auf den geschlossenen
Flügeln sind Johannes der Täufer und der Prophet Jesaja zu sehen,
die auf den Gekreuzigten als das "Lamm Gottes" hinweisen (Johannes 1, 29
und Jesaja 53, 7).
Der graue Farbrest an der Südwand stammt von der
ursprünglichen Ausmalung der Kirche aus dem 13. Jahr hundert. Sie
muß in ihrem hochmittelalterlichen Zustand recht düster gewirkt
haben, ganz anders als heute.
Im nördlichen Seitenschiff, dem südlichen
Eingang gegenüber, befindet sich die Taufkapelle. Der Taufstein aus
Baumberger Sandstein und das Lesepult wurden von H. G. Bücker
entworfen. Im Taufstein befindet sich eine Taufschale aus der zweiten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts, die in sorgfältiger Ziselierung die Taufe
Jesu zeigt. Zur Ausstattung der Taufkapelle gehört noch ein Ständer
mit Bronzefüßen und einer Platte aus Mooreiche. - An der Rückwand
hängen fünf eichene Bildtafeln mit den Darstellungen Jesu und
der Evangelisten. Sie wurden 1937 für die damals umgestaltete
Kanzel gestiftet. Die Wandbehänge in der jeweiligen liturgischen Farbe
wurden in der Paramentenwerkstatt der Benediktinerinnen-Abtei Dinklage
gewebt.
Die Orgel
Die Orgel, an der Westwand des Mittelschiffes
auf der Empore aufgestellt, wurde 1968 von Paul Ott, Göttingen, gebaut
und 1990 von Karl Schuke, Berlin, überarbeitet. Sie hat 36 Register
in Hauptwerk, Brustwerk, Oberwerk und Pedal und ist mit mechanischer Traktur
ausgestattet.
In der Kirche befindet sich noch eine kleine Continuoorgel mit 1 1/2 Registern, 2014 von der Firma Mebold in Siegen gebaut.
Die Gewölbemalereien
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Bei der Restaurierung der Apostelkirche
1936 wurden in den
Gewölben unter der Tünche farbige
Malereien entdeckt, und zwar in mehreren übereinanderliegenden Schichten.
Bei der sehr umsichtig durchgeführten
Sicherung wurde jeweils entschieden, welche Schicht wiederhergestellt werden
sollte.
Durch die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurden die Malereien
in den westlichen Jochen völlig vernichtet, die übrigen haben
durch Feuchtigkeit und Erschütterungen stark gelitten, sind aber beim
Wiederaufbau vorsichtig restauriert und gereinigt worden.
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Die Malereien haben bei ihrer Entdeckung
1936 großes Aufsehen erregt und zählen zu den schönsten in Westfalen.
Sie stammen aus drei verschiedenen Perioden:
Die ältesten Malereien
finden sich in den drei östlichen Jochen des südlichen Seitenschiffs.
Schöne gegenläufige Ranken mit grünen Weinblättern
und zierlichen Begleitlinien strahlen von den Schlußsteinen aus und
füllen die Kappen über den Gurtbögen. Sie stammen aus der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. (Die deutlich lesbare Jahreszahl
1626 hat mit den Malereien nichts zu tun).
Vielfältig sind die Malereien,
die sich vor allem in den unteren Zwickeln der Gewölbe und in den
Kappen seitlich der Gurtbögen finden; unterschiedliche Gestaltungen
lassen verschiedene Hände erkennen, die einst daran gearbeitet haben.
Diese Malereien stammen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts; vielleicht hatte
der Bildersturm der Wiedertäuferzeit eine neue Ausmalung notwendig
gemacht. Da erkennt man zunächst in schwarzer oder grauer Farbe gehaltene
Stauden, dazu allerlei figürliche Darstellungen: über dem nördlichen
Chor-Eckpfeiler einen Schützen, der auf einen Vogel zielt; im Zwickel
über der Kanzel, dem Chor zugewandt, das Rad der Fortuna, Inbegriff
der Wechselhaftigkeit irdischen Glücks; daneben einen Hahn auf einem
Nest; gegenüber einen Doppeladler. Weiter sind Blumengebinde in unterschiedlichen
Farben zu erkennen. Hierzu gehören ebenfalls figürliche Darstellungen,
z.B. in der westlichen Kappe des östlichen Mittelschiff-Jochs eine
sitzende Gottesmutter mit dem stehenden Jesusknaben. In der anstoßenden
Kappe des nächsten Jochs ein Kruzifix. Eines der Blumengebinde aus
dieser Zeit findet sich am Schlußstein des westlichen Chorjoches.
An der Kappe östlich davon ein Schriftband mit der Jahreszahl MVCXXXX
(1540).
Zwei große Darstellungen des Weltgerichts
und des Abendmahls im Westteil der Kirche sowie ein Schriftband mit der
Jahreszahl 1552 gehören zu den vernichteten Malereien.
Besonders auffällig
sind die großen Blumengebinde mit hellgrünen Blättern und
orangefarbenen Blüten, gelegentlich mit kleinen Figürchen (Engelkopf
u.a.) geziert,
die - mit den eben genannten Ausnahmen
- die Schlußsteine umgeben. Diese barocke Ausmalung stammt aus dem
Jahr 1630, und diesmal ist auch der Künstler bekannt: J ohann Voß
aus Münster mit seinem Gehilfen Dietrich Glasemacher aus Dülmen.
In den vier zuletzt errichteten östlichen Jochen des nördlichen
Seitenschiffs wurden keine Malereien gefunden. Es wird daher angenommen,
daß bei dieser letzten Erweiterung der Kirche (1654-59) der ganze Raum weiß
getüncht wurde. So wurden die wunderschönen Malereien zugedeckt,
bis sie - fast ein Vierteljahrtausend später - wiederentdeckt wurden.
Sie haben die Fachwelt zu allerlei Untersuchungen - angeregt und erfreuen
einen jeden, der seinen Blick nach oben richtet und regen ihn zu weiteren
Entdeckungen an.
Literatur
Max Geisberg, Die Stadt Münster,
Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, 41. Band, 6. Teil, Münster
1941, S. 209-257
Ulf-Dietrich Korn, Notizen zur Baugeschichte
und architekturgeschichtlichen Stellung der Minoritenkirche in Münster,
in: 700 Jahre Apostelkirche, Münster 1984, S. 19-66
Thomas Weigel, Die Apostelkirche, in:
J. Poeschke, C. Syndikus, Th. Weigel, Mittelalterliche Kirchen in Münster,
München 1993, S. 144-156.
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